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Nemesis 03 - Alptraumzeit

Nemesis 03 - Alptraumzeit

Titel: Nemesis 03 - Alptraumzeit
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weitem.
    Ed hing schlaff in dem Gartenstuhl, aber seine Augen waren schreckensweit geöffnet. Sein Mund stand weit offen, dickes, dunkles Blut rann über seine Lippen und tropfte auf sein Hemd hinab, wo es einen gewaltigen, hässlichen Fleck bildete, der fast bis zu seinem Hosenbund hinabreichte. Dort, wo sie nicht blutverschmiert war, hatte seine Haut einen gelblich-grauen Farbton angenommen. Jemand hatte ihm die Kehle durchgeschnitten und ihm ein blutiges Hakenkreuz auf die Stirn geritzt.
    Es war einfach zu viel für mich. Plötzlich begann sich alles um mich herum zu drehen. Ich ließ das Feuerzeug fallen und taumelte würgend auf das Waschbecken zu.
    Dort drehte ich mit bebender Hand den Hahn auf, in der verzweifelten Hoffnung, dass kaltes Wasser den Brechreiz hemmen und den Schwindel vertreiben würde, aber es hatte keinen Zweck: Der Stress des vergangenen Tages, der Tod des Anwalts, der Mord an Stefan, der Einsturz, Absturz, ständige Migräneattacken, die zweimalige Ohnmacht, wirre Geschichten, Vorstellungen, Fantasien, emotionale Achterbahnfahrten – ich hatte die Grenze dessen, was ich ertragen konnte, längst weit überschritten und steuerte wahrscheinlich seit geraumer Weile auf den Punkt zu, an dem Körper und Geist die Streikfahnen schwenkten. Ich spürte, dass ich kurz davor stand, in ein Koma katapultiert zu werden, aus dem ich vielleicht nie wieder erwachen würde, zum Schutz vor allem Möglichen, was dieses Leben – diese gottverdammte Nacht! – mir noch alles abverlangen könnte.
    Heftige Krämpfe tobten in meinem Magen. Ich übergab mich in das Waschbecken und sackte zitternd vor der Spüle auf die Knie.
    »Tut mir Leid, aber Ellen hat nach mir gerufen.« Judith stand sicher nicht weit von mir am Eingang, befand sich allerhöchstem aber auf halbem Wege durch die Halle hierher. Trotzdem drang ihre Stimme wie von unendlich weit her nur gedämpft zu mir durch. »Der Doc ist auf dem Weg zur Besserung. Dein Kurztrip in den Schacht hat wohl irgendein loses Schräubchen bei ihr wieder halbwegs festgedreht.« Der Strahl des Handscheinwerfers erreichte die Küche einige Sekunden, ehe Judith sie betrat. »Jemand hat die Hauptsicherung hier im Sicherungskasten herausgedreht, warte.« In der nächsten Sekunde flammte das Licht in der Küche wieder auf und trieb mir die Tränen in die geblendeten Augen – wenigstens konnte ich mir dadurch einreden, dass ich mir davor das Weinen noch heldenhaft hatte verkneifen können.
    »Ist bei euch alles im grünen Bereich? Hast du–«
    Sie brach ab. Der Rest ihres Satzes endete in einem entsetzten Keuchen, als sie die Küche erreicht hatte und auf der Schwelle verharrte. Ich sah sie nicht an. Magensäure und bittere Galle schössen in meinem Rachen hoch, als mein Blick erneut, diesmal im grellen Schein der Neonröhre unter der Decke, auf Ed fiel und den Ausdruck auf seinem zwischen Überraschung und unmäßiger Angst zu einer abscheulichen Grimasse verzerrten Gesicht erkannte. Der seitlich geführte, wahrscheinlich bis auf die Halswirbel tiefe Einschnitt an seinem Hals reichte von der Halsschlagader bis in den Nacken, als sei er feige von hinten ausgeführt worden. Das Blut musste in wahren Fontänen aus der tödlichen Wunde geschossen sein, denn es war mehr als zwei Meter weit bis an die weiß gekachelte Wand über der Arbeitsplatte gespritzt und hatte auch Carl über und über besudelt, klebte in seinem Gesicht, an seinen Kleidern und sogar in seinen Haaren. Ich wehrte mich nach Kräften gegen die Vorstellung des grauenhaften Augenblicks, in dem die Klinge Eds Hauptschlagader durchtrennt hatte, konnte sie aber nicht gänzlich unterbinden. Carl musste Schreckliches durchgestanden haben.
    Wenn er es nicht selbst getan hatte.
    Fast gewaltsam riss ich meinen Blick von dem fürchterlichen Bild los und wandte mich Judith zu, die noch immer wie erstarrt im Türrahmen stand und zitternd, mit angehaltenem Atem auf Ed hinabstarrte, der leblos in seinem Stuhl hing. Alles, was ihren Anblick etwas weniger erbärmlich gestaltete als den Eds, war der Umstand, dass sie noch lebte. Ich hatte bereits im schwachen Licht des Strahlers auf dem Hof registriert, wie übel es sie erwischt hatte, erschrak aber ein weiteres Mal, als ich sie noch einmal und vollständig beleuchtet betrachtete. Sie war völlig durchnässt und vom Zementstaub verdreckt und der Regen hatte den Blutfleck, den die Wunde an ihrem Arm verursacht hatte, nicht ausgewaschen, sondern nur vergrößert, so dass fast ihr
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