Nelson sucht das Glück

Das Holz war gealtert und hatte seinen individuellen Geruch mit anderen Gerüchen gemischt, und die Wärme und die trockene Luft von Kalifornien hatten tiefe, erdige Töne in den Holzschichten des Flügels zum Vorschein gebracht.
    Kateys Klavierspiel war mit den Jahren reicher und nuancierter geworden. Nach einem herzhaften Abendessen aus Hackfleisch und Reis, das Katey für ihn zubereitet hatte, lag Nelson zum ersten Mal seit Ewigkeiten, wie es ihm schien, wieder unter dem Piano und sog all die Düfte in sich ein, während sie spielte. So viele, viele Nächte hatte er davon geträumt, wieder unter ihrem Flügel zu liegen, und die Wirklichkeit war ebenso berauschend wie seine Träume. Er entspannte sich und wurde ruhig und gelassen, als sie einige langsame Nocturnes anstimmte. Dann jedoch konnte sie einfach nicht widerstehen und spielte » Here Comes the Sun«. Nelson heulte nicht mehr, als er das Lied erkannte. Er sprang auf ihren Schoß und küsste wieder und wieder ihr Gesicht.
    Danach trug Katey ihn zum ersten Mal nach so vielen Jahren die Treppe hoch und legte ihn aufs Bett, während sie sich die Haare bürstete. Dann drückte sie ihn fest an ihre Brust, und der kleine Hund schloss die Augen, eingehüllt in Kateys herrlichen Duft wie in eine Decke. Sie kraulte ihm den Kopf, und er fiel sogleich in einen tiefen Schlaf, bemerkte nicht einmal, wie Evan später zu ihnen kam.
    In den darauffolgenden Tagen genoss er es sehr, viele der alten Gewohnheiten wieder aufzunehmen, die sein Leben als junger Hund geprägt hatten. Er fand es herrlich, wenn Katey ihm zu fressen gab und ihn badete. Er genoss es, mit ihr in der ruhigen Vorstadt Gassi zu gehen. Und er liebte es, mit ihr auf der Couch zu liegen und ihr in die lieben Augen zu schauen, wenn sie mit ihm spielte. Katey kaufte ihm eine neue Spielzeugratte, weil die alte beim Umzug nach Los Angeles verloren gegangen war, und so verfiel er rasch wieder in das alte Abendritual, zusammen mit Katey damit zu spielen. Auch Evan war lieb zu Nelson. Er gab ihm Knochen und Essensreste, und manchmal ging er auch mit ihm spazieren.
    Nelsons Glück darüber, wieder mit Katey vereint zu sein, wurde nur dadurch getrübt, dass er auch ein wenig Heimweh nach Jake und Oliver hatte. Es vergingen nur ein paar Tage, und er schnüffelte bereits in Kateys Haus umher und suchte nach ihnen. Wenn es an der Tür klingelte oder Schritte die Auffahrt entlangkamen, bellte Nelson freudig, weil er hoffte, es sei Oliver. Manchmal spürte Katey, wie sich eine leise Traurigkeit auf den Hund legte, und sie wusste, dass er dabei an Oliver dachte.
    In den ersten Wochen nach seiner Rückkehr roch Nelson deutlich das Glück auf Kateys Haut. Während all seiner Jahre unterwegs hatte sich Nelson nie Sorgen gemacht, Katey könnte ihn nicht mehr so lieben wie früher, wie es vielleicht ein Mensch getan hätte. Sie liebte ihn noch genauso wie früher, vielleicht sogar mehr. Und das stimmte: In Wirklichkeit hatte sie keinen einzigen Tag, während er unterwegs war, nicht an ihn gedacht.
    Das Verschwinden von Nelson war mitten in Kateys Ehekrise gefallen, die schließlich zur Trennung geführt hatte. Nachdem Nelson zwei Tage verschwunden gewesen war, hatte Don ihr gestanden, dass er wieder mit seiner Geliebten geschlafen hatte. Katey hatte sich fest vorgenommen, wenn Don sie ein zweites Mal betrüge, wäre für sie ihre Ehe beendet, doch das war leichter gesagt als getan. Zwei Monate gingen ins Land, bevor Don endgültig das Haus verließ. Die gefährliche Mischung aus großer Wut und der tiefen Liebe, die sie immer noch füreinander empfanden, war einfach zu komplex, um rasch eine Lösung zu finden. Don erklärte seine Untreue damit, dass er das Gefühl gebraucht habe, männlich und stark zu sein, etwas, von dem er behauptete, Katey habe es ihm nicht gegeben. Dabei liebte er sie immer noch über alles, behauptete er. Während er vor ihr saß, wünschte sich Katey nichts so sehr, wie ihm glauben zu können, dem Mann, in den sie sich erst vor ein paar Jahren so unsterblich verliebt hatte. Katey wusste, der Mann, den sie geheiratet hatte, wäre stark gewesen, ganz gleich, was ihm widerfuhr, doch Don hatte trotz ihrer Liebe und Unterstützung einfach das Handtuch geworfen. Als sie ihn schließlich bat, auszuziehen, war die Leere ohne ihn und Nelson anfangs ganz schrecklich gewesen.
    Und so waren der Verlust Nelsons und das Scheitern ihrer Ehe untrennbar miteinander verbunden. Katey hatte ihr Haus in Albany geliebt, doch