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Nelson sucht das Glück

Nelson sucht das Glück

Titel: Nelson sucht das Glück
Autoren: Alan Lazar
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der Kleine sich regen würde, doch als es nach einer halben Stunde immer noch kein Lebenszeichen gab, hatte sie den kleinen Hund sanft von Lola weggezogen und in ein weißes Handtuch gewickelt. Später in dieser Nacht würde sie seine sterblichen Überreste verbrennen und die Asche auf dem Weideland rings um ihr Farmhaus verstreuen. Sie würde zur Mondsichel emporblicken und für den kleinen Hund beten, der die Welt außerhalb dem Leib seiner Mutter niemals kennenlernen konnte.
    Lola spürte, wie eine unfassbare Traurigkeit sie überkam, als ihr kleiner Sohn ihr weggenommen wurde. Doch für Trauer blieb nicht viel Zeit, denn die Krämpfe in ihrem Leib setzten wieder ein, und kurz darauf erblickte ein weiterer Welpe das Licht der Welt. Nelson war hellbraun oder auch aprikosenfarben, mit kleinen weißen Farbtupfern, vor allem auf seinem Gesicht. Ein dunkelbrauner Ring zierte sein eines Auge, ein weißer das andere, was schon bei dem Welpen so aussah, als würde er staunend und voller Interesse in die Welt blicken. Doch zur Zeit seiner Geburt waren seine Augen fest geschlossen, und sie würden es noch die gesamte erste Woche seines Lebens bleiben.
    Nelsons Nase zuckte begeistert, als der Geruch nach Gras zum allerersten Mal seine Welt erfüllte. Er spürte, wie seine Mutter ihn leckte, und dann durchdrang auch ihr Duft zum ersten Mal seine Sinne, ein reicher, tröstlicher Geruch. Mrs Anderson kam wieder ins Zimmer und tätschelte den kleinen Kerl ganz sanft am Köpfchen. So erschnupperte er zum ersten Mal ein menschliches Wesen, und auch dieser Geruch war zwar vielschichtig und verwirrend, doch auch warm und angenehm.
    In den ersten Minuten seines Lebens stürmen viele Dinge auf einen kleinen Hund ein, und auf einmal packte Nelson ein geradezu überwältigender Hunger. Seine Mutter sah das Beben und Zucken, das durch die kleinen Leiber ihrer Jungen ging. Sie presste und presste, und dann kam auch ihr letzter Welpe, Nelsons kleine Schwester, zur Welt. Ganz behutsam legte Mrs Anderson die kleinen Hunde an Lolas sechs Zitzen, und sie machten es sich für ihre allererste Mahlzeit bequem.
    Die erste Woche in Nelsons Leben verging wie in einem Nebel. Während die Tage vorüberzogen, erkundete seine Nase mit immer größerem Können die Gerüche der Umgebung. Dann kam wieder der Hunger. Manchmal schlief Lola gerade, wenn er auf sie zukroch und verzweifelt nach Nahrung suchte. Natürlich konnte er nicht wissen, wie erschöpft sie vom Säugen ihrer fünf am Leben gebliebenen Welpen war. Insgeheim war Mrs Anderson sehr besorgt, denn Lola war ein zartes Hundewesen. Einmal, vor vielen Jahren, hatte ein anderer Pudel in Mrs Andersons Besitz, Lolas Großmutter, vom Säugen eines großen Wurfes einen ernsten Kalziummangel erlitten und war auf dem Weg zur Tiernotfallklinik in der kleinen Stadt Nelson, New Hampshire, die ganz in der Nähe lag, gestorben. Mrs Anderson hatte die verwaisten Welpen, zu denen auch Lolas Mutter, eine wunderschöne perlweiße Pudeldame gehörte, mit der Flasche aufgezogen und ihnen alle vier Stunden zu trinken gegeben.
    Oft wachte Nelson davon auf, dass ihm Lola das Bäuchlein leckte. Das liebte er, und er mochte auch den Geruch der warmen Flüssigkeit, die danach aus seinem Körper sickerte. Doch lange hielt der Duft nie an. Dann erschnupperte er Mrs Anderson ganz nah, er spürte ihre Hände an seinem Körper, und der größte Teil des Geruchs seiner Ausscheidung war wieder verschwunden. Bald bemerkte Nelson, dass bei all seinen Geschwistern eine solche Flüssigkeit aus dem Körper kam. Obwohl das ähnlich roch wie bei ihm, konnte seine kleine Nase schon bald ganz feine Unterschiede erkennen, die es ihm erlaubten, seine Geschwister auseinanderzuhalten. Wenn er an den Zitzen seiner Mutter lag, bemerkte er einen sehr ähnlichen, aber viel intensiveren Geruch, den sie verströmte. Manchmal nahm Mrs Anderson Lola für ein oder zwei Stunden mit nach draußen, und Nelson weinte still vor sich hin, bis dieser tröstliche Geruch endlich wieder bei ihm war.
    Der Geruch würde immer das größte und alles andere überdeckende Element sein, das Nelsons Wahrnehmung der Welt prägte. Doch nur eine Woche nach seiner Geburt begannen sich seine Augen ganz allmählich zu öffnen, und der tröstliche graue Schemen von Mrs Andersons Gesicht schaute auf ihn herab. Nelson war der Erste aus dem Wurf, der in die Welt hinausblickte, und angesichts seiner besonderen Färbung um die Augen musste Mrs Anderson unwillkürlich lächeln,
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