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Nelson sucht das Glück

Nelson sucht das Glück

Titel: Nelson sucht das Glück
Autoren: Alan Lazar
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an dem Mrs Anderson den Kleinen zum ersten Mal etwas anderes zu fressen gab als die Muttermilch. Mrs Anderson hütete Lola immer noch wie ihren Augapfel, und die Erschöpfung vom wochenlangen Säugen ihrer Jungen war deutlich zu sehen. Früher hatte die Züchterin sechs Wochen gewartet, bis sie einem Wurf festes Futter verabreichte, doch diesmal beschloss sie, ihnen bereits jetzt zum ersten Mal etwas Kuhmilch mit Brot zu geben, damit sich Lola ein wenig ausruhen und wieder zu Kräften kommen konnte.
    Nelson und seine Geschwister wussten nicht, was sie mit den kleinen Schüsseln voll warmer Milch und altbackenem Brot anfangen sollten, die Mrs Anderson vor sie hinstellte.
    Nelson sprang als Erstes mit großem Platschen mitten in eine der Schalen. Es war ein herrliches Gefühl. Mrs Anderson fischte ihn heraus, machte ihn sauber und setzte ihn dann behutsam vor die Schüssel, um ihm zu zeigen, wie man Milch aus dem Napf schlabbern konnte. In den folgenden Tagen würde Mrs Anderson auch Äpfel und Karotten in kleine Stückchen schneiden, und eines Tages zerhackte sie ein gekochtes Ei und gab es zur großen Freude der Welpen in die kleinen Näpfe.
    Irgendwann spät in der Nacht wurde Nelson von einem Geräusch geweckt, das er noch nicht kannte. Es war Mrs Andersons Stimme. Doch während diese Stimme bisher immer nur ruhig und freundlich geklungen hatte, hörte sie sich dieses Mal schrill und laut an, obwohl sie aus einem weit entlegenen Teil des Hauses kam, was dem kleinen Hund Angst machte. Er begriff nicht, was die Ursache dieses Verhaltens war, doch als Mrs Anderson eine halbe Stunde später den Raum betrat, roch er etwas Neues an ihr: die Spuren heftiger Wut, die gerade erst verflogen war. Es war das erste Mal in seinem noch kurzen Leben, dass er den Geruch von Wut kennenlernte, und er mochte ihn gar nicht. Er würde ihn nie mögen. An Hunden würde er ihn nie wahrnehmen, und irgendwann begriff er, dass diese Regung etwas war, das den Hund vom Menschen unterschied. Auch Nelson selbst würde sein Leben lang die verschiedensten Gefühle und Emotionen empfinden, doch Wut gehört nie dazu.
    Mrs Anderson blickte auf Nelson hinab, merkte, dass er sie beobachtete, und hob ihn hoch. Sie strich ihm über den kleinen Kopf. Als sie ihn nah an ihr Gesicht hielt, leckte er blitzschnell ihre Tränen ab, und sie schenkte ihm ein mattes Lächeln. Nelson mochte den salzigen Geschmack der Tränen sehr, aber dieses Mal war er auch froh, weil der Glücksgeruch an ihr zurückkehrte. Sie setzte ihn ab und ging aus dem Zimmer, kam jedoch einen Moment später mit einem kleinen Teller zurück. Als sie Nelson hochhob und ihn sich auf den Schoß setzte, erkannte er sofort, dass das Futter auf dem Teller den gleichen fleischigen Duft von sich gab, den er in den vergangenen Wochen mehrfach gerochen hatte. Es war wahrscheinlich der herrlichste Geruch, den er kannte. Blitzschnell schlang der kleine Hund die Wurststückchen hinunter, die Mrs Anderson ihm hingestellt hatte, und brachte sie zum Kichern, als er aufgeregt den Teller abschleckte und nach mehr verlangte.
    Lola wachte von dem Wurstgeruch auf und öffnete träge die Augen. Es war eine ihrer Leibspeisen, und normalerweise hätte sie höflich gebellt, um Mrs Anderson daran zu erinnern, ihr auch etwas abzugeben. Diesmal jedoch schlief sie einfach wieder ein. Sie wusste, dass ihre Jungen schon bald nicht mehr bei ihr sein würden, und dann würden sie, Mrs Anderson, King, Kennedy und Nougat wieder zusammen durch die Wälder streifen. Dann würde sie auch wieder nachts am Fußende von Mrs Andersons Bett schlafen, und die Erinnerung an ihre Welpen würde bald verblassen. Und so ließ sie in jener Nacht den kleinen Nelson den ganzen Teller voll leckerer Wurst allein verspeisen.
    In der Tat überlegte sich Mrs Anderson, ob sie den kleinen Nelson behalten sollte. Es war ihr schon immer schwergefallen, ihre Welpen abzugeben, doch sie musste sich stets ins Gedächtnis rufen, dass sie das zusätzliche Einkommen aus den Verkäufen brauchte, zumal es diesmal wesentlich geringer sein würde als sonst. Glücklicherweise hatten sich einige Zoogeschäfte aus der Gegend, die normalerweise ihre Welpen verkauften, wenn auch zögernd dazu bereit erklärt, ihre Beagle-Pudel-Mischlinge zu nehmen. In den Läden wusste man, dass die Welpen, die sie normalerweise lieferte, nicht nur schöne Exemplare ihrer Rasse waren, sondern auch Charakterzüge aufwiesen, die Hundebesitzer liebten. Sie waren verspielt, aber
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