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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman
Autoren: Michel Birbaek
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Küchenchefs in einem Fünfsternerestaurant hochgedient,dann verliebte sie sich in einen deutschen Musiker und wurde schwanger. Mor zog zu meinem Vater nach Deutschland, lernte ihn besser kennen, und als er sie sitzen ließ, um mit einer Band auf Tour zu gehen, beschloss sie, mich alleine aufzuziehen. Sie meinte, dass mein Vater für eine Frau gut wäre, aber nicht für eine Familie. Also zog sie aufs Land und brachte mich zur Welt.
    Als ich drei war, begann sie, Kochworkshops anzubieten und erwischte den Kochboom. Ihre Workshops waren voll, sie hatte Spaß an der Arbeit, und auch wenn sie meine Mutter war, wusste ich schon als Kind, dass sie gut aussah – rothaarig, lebensfroh und voller Energie. Die Männer machten mir Komplimente für sie. Sie verschwand gelegentlich auf Kurzreisen und kam gut gelaunt zurück. Einmal glaubte ich sogar, dass es über einen längeren Zeitraum derselbe Mann war, mit dem sie loszog, aber sie redete nie darüber, und ich fragte nicht. Der Einzige, der je bei uns übernachtet hatte, war immer noch mein Vater.
    Als ich sieben war, stand er plötzlich vor der Tür. Ein fremder, großer, tätowierter Mann, der nicht still sein konnte. Er verbrachte den Nachmittag mit uns, den Abend in der Küche bei Mor und die Nacht im Gästezimmer. Er erzählte mir, dass er Mor liebe und alles gut werden würde. Als ich am nächsten Tag von der Schule nach Hause kam, war er weg. Ich habe Mor nie stiller erlebt. In der Folgezeit kam sie mehrmals mit verweinten Augen zum Frühstück, und ich hasste ihn dafür. Sie erklärte mir noch mal ausführlich, dass mein Vater ein netter Mensch, aber kein guter Vater sei, und da machten wir den Deal. Ich konnte jederzeit Bescheid sagen, dann würde sie mir seine Nummer geben. Bis dahin würden wir so tun, als wäre er nie aufgetaucht. Daran hielten wir uns. Er kam nie wieder. Genauso wenig wie irgendein anderer Mann. Und das gefiel mir. Fakt war: Ich war ihr Ein und Alles, dann kam der Job, dann kam lange nichts, und erst dann kamen irgendwann die Männer.
    Und dann kam der Unfall. Über Nacht wurde aus einer attraktiven Unternehmerin ein Krüppel. Über Nacht wurde aus einer Wählerischen eine Ungewählte. Mor hatte gelernt, wie schnell sich alles ändern konnte, und wollte, dass ich mir eine Frau suchte, solange ich die Wahl hatte, denn später würde es schwerer werden, jemanden zu finden. Ich fragte mich, ob es nicht schon später war, als sie dachte.
    Beim Dessert war ich immer noch Single. Mor verlor auch den Kampf gegen die Fliegen, und so nahmen wir den Zitronenfromage in der Küche zu uns. Während ich im Nachtisch schwelgte, lag der Handstaubsauger griff bereit. Sie brannte darauf, es ein paar Viechern heimzuzahlen, doch die Fliegengitter, die ich letzten Sommer angebracht hatte, funktionierten, so konnte sie sich leider ganz auf mich konzentrieren.
    »Ich mach dir da keinen Vorwurf, du bist jung, du kannst es nicht wissen, wie es ist, alt zu sein, aber glaub mir – besser man entscheidet sich zu früh als zu spät. Mit der Liebe ist es wie mit der Altersvorsorge: Man muss früh investieren, damit man später etwas davon hat. Und du weißt, wie selten gute Frauen hierher ziehen.«
    »Woher weißt du, dass sie ’ne gute Frau ist?«
    »Sie ist ledig.«
    »Vielleicht ist sie ja ledig, weil sie nicht gut ist.«
    Von solchen Kleinigkeiten ließ sie sich nicht beeindrucken. Erst beim Abwaschen wechselte sie das Thema.
    »Schaust du nach dem Rollstuhl? Der macht Schwierigkeiten.«
    »Kein Wunder, das Getriebe ist total verdreckt. Du warst wieder im Gelände.«
    Sie hüpfte zum Kühlschrank und holte eine Flasche Weißwein heraus.
    »Soll ich etwa mit dem Hund auf der Hauptstraße hin- und herfahren? November ist ein Jagdhund, er muss jagen.«
    »Und das Ding ist ein Rollstuhl, er muss rollen, und das tut er am besten, wenn er nicht bis zur Achse im Dreck steckt. November musst du einfach laufen lassen, der kommt schon zurück.«
    November hörte seinen Namen und hob den Kopf. Als er merkte, dass es nichts zu essen gab, legte er ihn mit jämmerlicher Miene wieder auf den Boden. Mor reichte mir die Flasche und den Korkenzieher.
    »Was für Menschen stellen diese Dinger bloß her? Kennen die überhaupt einen Behinderten, kannst du mir das sagen?«
    Ich zuckte die Schultern und schwieg aus gutem Grund, denn nächste Woche war ihr sechzigster Geburtstag, und ihr Geschenk stand schon in Rokkos Garage.
    Ich öffnete die Flasche und füllte Mors Glas. Sie nahm einen
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