Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman
Autoren: Michel Birbaek
Vom Netzwerk:
nicht eine einzige Wolke, um die Lage zu entschärfen.
    »Scheiße«, stöhnte Rokko, »geht denn dieser verfluchte Sommer nie zu Ende?«
    »Doch, und dann wirst du dich aufregen, dass es so verflucht kalt geworden ist.«
    »Haha«, sagte er und schimpfte dann auf die Bande. Die Bande bestand aus drei, vier Mann und räumte seit Monaten sporadisch Häuser aus. Bis vor zwei Wochen war es bloß eine gewöhnliche Einbrecherbande gewesen, doch dann hatten sie einen der Hausbesitzer gezwungen, zum Geldautomaten zu fahren. Dort hatten sie ihn mit Kopfverletzungen zurückgelassen. Diese Strategie gefiel ihnen offenbar so gut, dass sie beschlossen, sie zu manifestieren. Sie hatten es schon dreimal durchgezogen und sich so zum Dorfthema Nummer eins gemacht.
    Wir erreichten Rokkos gelben Opel GT, den er vorausschauend im Schatten geparkt hatte. Ein Zivilwagen rollte auf den Parkplatz und hielt neben uns. Zwei Drittel unserer Kripo stieg aus. Schröder fluchte über Hundt, der keine Gnade mit der Dienstkleidung kannte, und verfluchte dann uns, die wir in Shorts, T-Shirts und Baseballkappen vor ihm standen. Er verfluchte die Sonne, den Sommer, das Mittagessen, seine Prostata, die Raststättenklos und noch ein Dutzend weiterer Sachen, während der Schweiß unter seinem Toupet hervortropfte. Schröder war ein Stradivari der Verdammungen, er erhob Fluchen zur Kunstform. Gerade hatte er eine Orientphase. In seinen Flüchen wimmelte es nur so von exotischen Tieren und Familienangehörigen. »Einen Dromedarschiss auf Hundt … seine Eltern waren Geschwister … einen Kamelpimmel in den Mund seiner Mutter!«
    Telly schüttelte lächelnd den Kopf und setzte sich die Dienstmütze auf, um seine Halbglatze zu schützen.
    »Hast du schon die Neue gesehen?«
    »Nein.«
    Er nickte eifrig.
    »Sie hat wirklich gute Referenzen. Da fragt man sich, was sie hier draußen auf dem Land will.«
    »Vielleicht das nächste Fernsehding: Frau sucht Bauer.«
    Er lächelte.
    »Willst du darauf wetten?«
    Es liefen Wetten auf Telefonnummer, erstes Date und ersten Sex. Rokkos Quote stand bei allem 229 zu 1. Wenn man 229 Euro auf ihn setzte, bekam man einen Euro zurück, falls er die Neue als Erster rumkriegte. Ich reichte Telly einen Zehner und sagte ihm, er solle ihn auf Schröder setzen. Bei 1 zu 1112 konnte man da richtig Geld machen, und die Chancen standen nur ein bisschen schlechter als beim Besuch von Marsmenschen. Die hatten 1 zu 1000.
    Schröder ging allmählich der Atem aus. Rokko fragte ihn, ob er sich in die Hosen gemacht habe, was einen neuen Lavastrom an tierischen Verwünschungen auslöste, der sich auf Rokkos Vorfahren und deren Berufe bezog.
    Ich ging zum GT und klopfte aufs Dach. Rokko folgte mir, doch bevor er einstieg, prüfte sein Blick die Stelle, auf die ich geklopft hatte. Kein Kratzer. So musste er seinen besten Freund nicht töten. Schwein gehabt.

    Als wir vom Dienstparkplatz runterfuhren, begann er, von der Neuen zu schwärmen, die er am Tag zuvor zum ersten Mal gesehen hatte. Sie musste ziemlich attraktiv sein. Allein die Aussicht, dass eine Frau herzog, die er noch nicht gehabt hatte, ließ Rokko auf blühen. Während wir für Mor einkauften, beschrieb er feuchte Träume. Hauptdarsteller: die Neue und er. Es war mir ein Rätsel.
    Seit fünfzehn Jahren war er mit Anita zusammen. Anita war schön, versaut und schlau – und sie liebte ihn. Alle Junggesellen in der Gegend gruben sie permanent an, aber sie wollte nur den Einen. Doch der wollte sie alle. Oderzumindest die Option. Und so bestand die Beziehung der beiden aus Ruhepausen zwischen Streit und Versöhnung. Immerhin wurden die Pausen länger, denn in den letzten Jahren war Rokko ruhiger geworden. Er hatte sich ewig nicht mehr auf einem Schützenfest geprügelt oder ein Autorennen geliefert und war, soviel ich wusste, seit mindestens einem Jahr nicht mehr fremdgegangen. Nach seinem letzten Seitensprung hatte es zwischen den beiden so gekracht, dass Anita zum ersten Mal seit elf Jahren ohne ihn in Urlaub gefahren war. Das hatte ihm zu denken gegeben. Sein Ende als Dorfhengst vom Dienst war eingeläutet, aber nach außen hin klammerte er sich weiter an seinen Machoruf wie ein Obdachloser an seine Pulle.
    Auf dem ganzen Heimweg kannte er nur ein Thema. Das Radio spielte Blues, und neben mir malte mein ältester Freund begeistert Sauereien in den Sommertag, während er uns mit leichter Hand durch den Feierabendverkehr lenkte. Ich genoss den Fahrtwind, der mit meinen Haaren spielte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher