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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman
Autoren: Michel Birbaek
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im Garten, wozu haben wir eigentlich einen Hund? Bringst du bitte Mohrrüben vom Markt mit? Und Chilischoten. Und Olivenöl. Außerdem brauchen wir noch Rotwein. Und spar nicht wieder beim Öl. Bis später, Schatz.«
    Sie küsste in den Hörer und legte auf. Ich nickte vor mich hin und tat, als sei sie noch dran.
    »Weißt du eigentlich, dass Rokko den ganzen Tag Krüppelwitze macht?«
    Am Nebentisch zuckte Rokkos Kopf hoch.
    »Was? Echt …?«, sprach ich weiter und hob die Augenbrauen. »Ach so.« Ich warf Rokko einen kurzen Blick zu und nickte. »Ja, gut, sag ich ihm. Bis nachher.«
    Ich unterbrach, lehnte mich zurück, nahm das Magazin und tat, als würde ich lesen. Von Rokko drang erwartungsvolle Stille zu mir. Schon bald nannte er mich einen Penner und las mir weitere Annoncen vor. Vielleicht hätte ich besser zuhören sollen, denn es war schon einige Zeit her, seitdem ich eine feste Beziehung gehabt hatte. Vielleicht lag es an mir. Vielleicht lag es auch an dem knappen Angebot in der Gegend. Die Frauen waren entweder verheiratet, oder man kannte sich seit Jahrzehnten. Vielleicht sollte ichin die Großstadt ziehen, um meine Chancen zu erhöhen. Vielleicht aber auch nicht, denn wenn die Exdörfler Weihnachten einfielen, um bei ihren Familien zu feiern, konnte man feststellen, dass die meisten von ihnen auch Singles waren, obwohl sie in Städten lebten mit Singlepartys, Kontaktannoncen und Kneipen. Die Großstadt schien auch nur ein leeres Versprechen zu sein.

    Hundert gefühlte Aufgüsse später war die Frühschicht zu Ende, und Gernot und Schmidtchen kamen zur Spätschicht herein. Schmidtchen nahm meine Liste mit den eingegangenen Notrufen ohne zu murren entgegen und nickte, als ich ihn bat, das Protokoll für die Kriminal- und Unfallstatistik zu schreiben. Er machte sich gleich an die Arbeit, während Gernot sich über unsere Unordnung aufregte. An ihm sah man, was eine Beziehung mit der falschen Frau anrichten konnte. Seit Jahren tauschte er seine Früh- und Spätschichten gegen Nachtschichten. Wenn er morgens nach Hause kam, war seine Frau schon in der Bäckerei. Wenn sie nachmittags von der Arbeit kam, schlief er noch. Wenn er aufwachte, schlief sie schon. Bald hatten sie goldene Hochzeit, und jeder war gespannt, ob sie feiern würden, und wenn ja, ob zur selben Zeit.
    Gernot meckerte, Rokko nannte ihn Spießer. Die Lichterkette blinkte. Ich ging ein letztes Mal ran.
    »Polizeinotruf.«
    »Hallo, mein Schatz.«
    »Du sollst mich nicht unter dieser Nummer anrufen.«
    »Es ist ein Notfall.«
    »Lass mich raten, wir haben keinen Rhabarber, und es könnte jemand zu Besuch kommen, der Lust auf Rhabarberkuchen hat?«
    »Ich stecke mit dem Rollstuhl fest.«
    »Wo?«
    »Oben am Steinbruch.«
    »Du sollst doch damit nicht ins Gelände fahren.«
    »Hilfst du mir nun, oder soll ich hier verenden?«
    »Bleib, wo du bist.«
    Sie lachte nicht. Ich schnappte mir das Funkmikro.
    »Zentrale an alle. Ist ein Wagen in der Nähe des Steinbruchs?«
    »Wagen vier ist in der Nähe«, meldete sich eine weibliche Stimme.
    Im Kabuff war schlagartig Stille. Alles starrte zum Funkgerät, aus dem die einzige weibliche Stimme gesprochen hatte, die es im Revier gab. Die Kollegin war erst vor kurzem aus Köln zu uns versetzt worden. Über die Gründe zerriss sich das ganze Revier das Maul. Was auch immer der Grund sein mochte – unser Revierleiter Hundt würde sie fertigmachen. Eine Frau. Aus der Großstadt. Die mehr Berufserfahrung hatte als er. Jetzt war schon mal eine Frau im besten Alter hergezogen, und dann das. Nicht nur die Junggesellen wetzten die Messer, sogar ein paar der Liierten waren bereit, die Scheidung zu riskieren, um mal an der Superbulette zu naschen. Man musste sich ranhalten, denn Hundt schikanierte sie, wo er konnte, und alle befürchteten, dass sie sich bald wieder in die Großstadt zurückversetzen lassen würde.
    Ich gab ihr Mors Aufenthaltsort durch. Sie nahm die Sache an sich. Ich bedankte mich. Sie sagte, kein Problem. Ich legte das Funkmikro weg.
    Nach einem Augenblick der Starre erwachte das Kabuff wieder zum Leben. Rokko drückte Gernot noch ein paar Sprüche über putzgeile Untote rein, schob Schmidtchen das Wachtagebuch rüber, dann winkten wir Karl-Heinz, der im Empfangsraum eine Anzeige aufnahm, und traten ins Freie.
    Wir schnappten nach Luft. Obwohl es Nachmittag war, biss die Hitze immer noch auf der Haut wie ein aggressives Insekt. Der Parkplatz flimmerte, am Himmel war trotz derGewitterwarnung
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