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Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Titel: Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
Autoren: Andrea Schacht
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Herz nach Köln zurückgekehrt war.
    Sein Körper war genesen, Narben hatte er behalten, doch sie schmerzten nicht mehr. Oder doch nur wenig noch. Er hatte Glück gehabt, dass einige äußerst kundige Heiler sich um ihn gekümmert hatten. Und diese Erfahrung hatte in ihm den Wunsch geweckt, selbst als Heiler tätig zu werden. Nicht als Mediziner, denn das Studium dieser Kunst schien ihm wenig hilfreich zu sein. Er zog die Praxis der Theorie vor: Mit gelehrten Vorträgen brachte man weder Kinder zur Welt noch renkte man gebrochene Knochen ein.

    Überraschenderweise hatte sein Vater seinem Vorhaben zugestimmt, obwohl er sich von seinem Sohn und Erben erhofft hatte, er möge einst das florierende Handelshaus übernehmen, das die Familie derer vom Spiegel über Generationen aufgebaut hatte.
    Die Beschäftigung mit den Krankheiten und Gebrechen anderer war für Marian anstrengend genug, das theoretische Wissen eignete er sich aus den voluminösen Folianten in der heimischen Bibliothek an oder griff auf die Schriften des Benediktinerklosters zurück, zu dem Ivo vom Spiegel noch immer gute Beziehungen unterhielt. Vor einigen Monaten war sogar Catrin, seine und Alyss’ ältere Ziehschwester, jetzt Begine am Eigelstein, seine Lehrerin gewesen, denn sie verstand sich ausgezeichnet auf die Arbeit einer Hebamme. Lediglich die Gefahren, die damit verbunden waren, wenn ein Mann bei einer Geburt anwesend war, hatten ihn dazu gebracht, diese Kapitel nun in der praktischen Arbeit abzuschließen.
    Ja, sein Körper und sein Geist waren gesund und munter, beweglich und kräftig. Auch seine Seele war dank der Fürsorge und Gebete seiner Mutter und Schwester genesen, die Schrammen, die das Grauen hinterlassen hatten, peinigten ihn zwar dann und wann noch, ließen sich aber ertragen. Das Herz aber … nun, daran mochte er nicht rühren. Er würde es wohl nie verwinden, dass er hilflos hatte zusehen müssen, wie die Frau, der er es geschenkt hatte, vor seinen Augen einen qualvollen Tod starb.
    Marian schauderte und griff nach dem Handtuch aus weißem Leinen und rubbelte sich kräftiger als nötig ab.
    Er hatte – neben dem Erlernen der medizinischen Künste – noch eine weitere Aufgabe zu der seinen gemacht, von der
noch nicht einmal seine Schwester wusste, dass er sie verfolgte.
    Sein Schwager Robert war ermordet worden – wie sie herausgefunden hatten, von einem zugereisten Nordmann, der seinen heidnischen Glauben geschmäht wähnte. Yskalt, ein junger nordischer Riese, war überführt und gestellt worden, und bei dem Kampf mit ihm hatte Marian ihm die Schwerthand abgeschlagen. Seither lag der Mann im Turm gefangen, nicht nur durch starke Mauern, sondern auch durch heftiges Wundfieber, das es den Obrigkeiten unmöglich machte, ihn zu befragen.
    So weit hatte er die Nachricht von Hans Scherfgin, gemeinhin ehrfürchtig als »Meister Hans« tituliert, erhalten. Marian hätte die Sache auf sich beruhen lassen können, doch der Keim des Zweifels hatte sich in seinem Kopf eingenistet, und die Frage, warum ein fremder Nordmann wohl so einfach einen angesehenen Kölner Bürger mit dem Hammer erschlagen hatte, trieb ihn um. Richtig, man vermutete, dass Yskalt seinen Hammer fanatisch als das Symbol des nordischen Thor verehrte, und er war als gewalttätig bekannt. Aber wann hätte Robert ihn beleidigen sollen?
    Alle anderen hatten sich mit der Erklärung zufrieden gegeben – Marian nicht.
    Und aus diesem Grund forschte er weiter. Unauffällig, heimlich, beharrlich.
    Heute war der Tag, an dem er einen weiteren Hinweis erhalten sollte. Und daher bürstete er seine schulterlangen, rotbraunen Locken sorgfältig, kleidete sich in blattgrünen Samt und füllte einen Korb mit süßen Kuchen und Wein. Darauf legte er einige der späten Rosen von dem großen Busch im Hof.

    Sein Besuch galt nämlich einem Menschen von vielfältigem, zumeist ungewöhnlichem Wissen, und dieser Mensch war weiblich.
    Marians Herz mochte gebrochen sein, doch sein Körper war jung und kräftig, und sein Interesse an der Anatomia beschränkte sich nicht ausschließlich auf das Studieren staubiger Schriften. Gislindis, die Tochter des Scheren- und Messerschleifers Mats Schlyffers, kam viel herum und hatte ein offenes Ohr für allerlei Gerüchte. Vielleicht verfügte sie sogar über einen zusätzlichen Sinn, der ihr Geheimnisse offenbarte, die andere bedeckt halten wollten. Oder sie war nur eine außergewöhnlich gute Beobachterin. Jedenfalls hatte sie ihm angeboten, die Ohren
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