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Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Titel: Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
Autoren: Andrea Schacht
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fröhlicher Hallodri, hatte nur einmal in den vergangenen Wochen am Tisch gesessen, just am Abend jenes Tages, an dem der Weingarten verkauft worden war. Obwohl nie um eine leichtfertige Geschichte verlegen, hatte auch ihm die gedrückte, angespannte Stimmung die Zunge gelähmt, und er war nicht wieder aufgetaucht. Magister Hermanus, ebenfalls ein Verwandter des Hausherrn und Mesner von Lyskirchen, hielt sich fern, obwohl er zu den gefräßigsten ihrer Tischgenossen gehörte. Ihm trauerte Alyss jedoch nicht sonderlich
nach: Der Hauspfaff hatte kein einnehmendes Wesen, er neigte zu moralisierenden Tischpredigten, die allen außer ihm den Appetit raubten.
    Und Master John of Lynne war nach England zurückgereist.
    Alyss gestand es sich nicht gerne ein, aber ihn vermisste sie wirklich – ein ganz kleines bisschen aber nur. Nicht besonders. Nein, nicht sonderlich. Eigentlich kaum.
    Aber die jungen Leute hätten seine abenteuerlichen Geschichten von Piraten und stürmischen Seefahrten, Räubern in dunklen Wäldern und solch wunderlichen Dingen wie Dracheneier sicher aufgemuntert.
    Weit mehr als das säuerliche Gesicht des Hausherrn, der sich Abend für Abend an den schweren Rotweinen aus Burgund erfreute.
     
    Am Sonntag nach ihrer Rückkehr von Villip ruhten die Arbeiten, wie Gott es befohlen hatte, und nach der Messe beschloss Alyss, den drei Jungfern eine kleine Freude zu bereiten. Sie bat die Mädchen in ihre Kammer und sah mit ihnen die Winterkleider durch, um zu prüfen, was neu angeschafft werden sollte.
    »Meine Mutter hat mir ein Gewand mit Pelzbesatz versprochen«, erklärte Hedwigis und zupfte an dem wollenen grünen Surkot, den man ausgebreitet und begutachtet hatte.
    »Das Kleid ist noch wie neu, Hedwigis. Du hast es erst letzten Christtag erhalten. Aber ein kleiner Pelz am Ausschnitt möchte es aufputzen.«
    »Dann will ich aber weißen Fuchsschwanz haben.«
    »Was dich hässlich blass machen würde!«, warf Lauryn ein. »Roter Fuchs würde zu deinen braunen Haaren besser aussehen. Und billiger ist er ebenfalls.«

    »Ich will aber nicht billig aussehen.«
    »Du wirst mit einem solchen Pelzbesatz keineswegs billig aussehen«, sagte Alyss. »Und Lauryn hat recht. Weiße Fuchspelze kommen aus dem Norden und sind sehr wertvoll. Eine Jungfer sollte nicht damit protzen.«
    »Aber meine Mutter hat gesagt, ich darf mir aussuchen, was mir gefällt.«
    Um den Trotz des Mädchens nicht weiter zu schüren, nickte Alyss und meinte: »Wir gehen morgen auf den Markt und schauen, was uns die Pelzhändler anbieten können. Lauryn, ich habe die Befürchtung, dass du diesem Sommer gesprossen bist wie eine junge Bohnenranke. Dieser Surkot ist geradezu unzüchtig kurz.« Sie hielt ein braunes Gewand an die Schulter und schüttelte den Kopf. »Da ist etwas Neues vonnöten.«
    »Ich helfe dir beim Nähen«, bot Leocadie sogleich an, denn alle im Raum wussten, dass Lauryn zwar einen grünen Daumen bei allem bewies, was aus dem Boden wuchs, aber mit Nadel und Faden das Geschick eines tollpatschigen Hundes an den Tag legte.
    »Wir werden einen Gewandschneider aufsuchen und ein warmes Tuch aussuchen. Ich schneide dir das Kleid zu, Lauryn.«
    »Danke, Frau Alyss.«
    »Und dieses hier, Leocadie, sieht schon ein wenig zerschlissen aus. Wann hast du es bekommen?«
    »Vor drei Jahren, Frau Alyss. Aber wenn ich eine Borte oder Bänder haben könnte, geht es noch sehr gut. Ich mag das Rot so sehr.«
    »Mhm – ja, das steht dir auch gut. Nun, wir werden nach Borten Ausschau halten. Oder auch nach einem Pelz?«

    Leocadies Augen leuchteten auf.
    »Gut, auch nach einem Pelz für Lauryn und dich.«
    Alyss sah, dass Hedwigis einen Schmollmund zog, aber solange die Mädchen unter ihrer Obhut standen, sollten sie in gleicher Weise gekleidet sein – die Patriziertochter genau wie die des Pächters und die des Weinbauern. Und das, was sie als Nächstes vorhatte, würde Hedwigis’ Laune sogar noch weiter verschlechtern, fürchtete sie. Aber sei’s drum – sie musste lernen, dass sie nicht der Mittelpunkt der Welt war. Diese Aufgabe hatte der Vater des Mädchens, Peter Bertolf, Baumeister und Stiefbruder ihrer Mutter Almut, ihr ans Herz gelegt. Unseligerweise hatte seine Frau, eine reichlich dünkelhafte Matrone, in ihrer Tochter die Saat gelegt, dass sie gegenüber anderen Mädchen ganz selbstverständlich Privilegien für sich beanspruchte.
    Aber Ritter Arbo hatte nun mal ein Auge auf die sanfte Leocadie geworfen.
    »Und nun, meine fleißigen
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