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Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz

Titel: Nehmt Herrin diesen Kranz - Schacht, A: Nehmt Herrin diesen Kranz
Autoren: Andrea Schacht
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Jungfern, räumt die Gewänder vom Bett, ich will euch etwas Hübsches zeigen.« Mit diesen Worten holte Alyss aus ihrer Truhe eine Schatulle heraus und stellte sie auf die Polster.
    »Das hier haben mir meine Eltern zu meiner Hochzeit geschenkt, und wenn eine von euch heiratet, soll sie sie als Leihgabe bekommen.«zu
    »Eure Brautkrone?«, fragte Lauryn andächtig.
    »Meine Brautkrone.«
    Alyss wählte den kleinen Schlüssel aus dem Bund, den sie immer am Gürtel trug, und schloss die Schatulle auf. Mit dunkelblauem Samt war sie ausgeschlagen, und in ihm schimmerte Gold. Alyss hob die Krone heraus und hielt sie so, dass das Licht aus dem Fenster auf sie fiel.

    Nicht wie üblich aus dünnem Golddraht und Flitter, Glassteinchen oder Wachsperlen war das kostbare Stück gefertigt, sondern einen massiven goldenen Reif hielt sie in den Händen. Eine ganze Handbreit hoch ragten die sechs stilisierten Lilien auf, dazwischen, niedriger, sechs Blätter, die das Gebilde zu einer Krone würdig einer Fürstin machten. Rosige, beinahe vollendet runde Perlen zierten die Blattspitzen, kleinere umgaben den Stirnreif wie eine Kordel. In der Mitte der Lilien aber blitzten grüne, sorgfältig geschliffene Steine auf.
    Es war ein Meisterwerk der Goldschmiedekunst.
    »Heilige Jungfrau Maria!«, wisperte Leocadie.
    »Die ist ja ein Vermögen wert!«, flüsterte Hedwigis.
    »Oh, ist die schön!«, seufzte Lauryn.
    »Ja, sie ist schön und wertvoll und der Krone einer Gottesmutter-Statue nachgeformt.«
    »Ihr müsst Euch gefühlt haben wie eine Königin, Frau Alyss.«
    Ja, das hatte sie damals. Sie hatte sich stolz und erhaben, vor allem aber geliebt gefühlt.
    »Wie eine Braut, Leocadie.«
    Lauryn streichelte ihren Arm. Natürlich war den Mädchen der dauerhafte Streit zwischen Arndt und ihr nicht entgangen, aber alle drei waren so rücksichtsvoll, das nie zu erwähnen. Alyss schüttelte die Traurigkeit ab und setzte die Krone wieder in ihr Behältnis zurück. Dann ließ sie die Erde erbeben.
    »Mein Vater hat zugestimmt, Ritter Arbos Besuch wohlwollend aufzunehmen.«
    Die Jungfern sahen sie mit großen Augen an, und Leocadie liefen die Tränen über die Wange.

    Sie weinte mit ausgesuchter Anmut, das musste Alyss ihr zugestehen.
    »Ein Besuch, Leocadie, ist noch kein Heiratsversprechen. Dein Großvater ist geneigt, ihn zu prüfen.«
    »Ja, ja … Ja, ich weiß.«
    »Schön, dann schlage ich vor, ihr zieht euch nun in euer Gemach zurück und widmet euch erbaulicher Lektüre, wie es dem Sonntag gebührt.«
    »Ja, Frau Alyss.«
    »Und morgen gehen wir gemeinsam auf den Markt.«
    »Ja-oja, Frau Alyss!«
    Die Jungfern verließen in guter Haltung den Raum, aber schon auf der Treppe hörte Alyss das eilige Poltern und die leisen Ausrufe der Mädchen. Mit erbaulicher Lektüre würden sie sich in den nächsten Stunden kaum befassen, wohl aber mit Schwatzereien und Träumereien.
    Sie gönnte es ihnen.
    Für Erbauliches war später im Leben noch Zeit, wenn die Träume verschlissen und die Hoffnungen blass geworden waren.
    So wie bei ihr.
    Sie sperrte die Schatulle wieder fort und wählte stattdessen den schmalen Band des bescheidenen Dichters Freigedank, las langsam und mit Bedacht und verweilte bei manchen weisen Versen.
    Für den kommenden Tag fand sie dort einen passenden Spruch, den sie Hedwigis mit auf den Weg geben würde. Sie murmelte ihn dreimal vor sich hin, damit sie ihn nicht vergaß: »Und schlüpft der Knecht in Zobelbalg, er bleibt darinnen doch ein Schalk.«

6. Kapitel
    A m Dienstagnachmittag machte Alyss sich mit Peer und dem Karren, beladen mit drei Fässern Wein, auf den Weg, ihre Ware abzuliefern. Eigentlich musste sie derartige Gänge nicht selbst machen, aber um die drei Kunden, die sie an diesem Tag aufzusuchen hatte, wollte sie sich persönlich kümmern. Der erste war Abt Lodewig von Groß Sankt Martin. Er empfing sie freundlich, hatte aber wenig Zeit für sie, da hochrangige Besucher im Kloster eingetroffen waren. Die allerdings, so sagte er, äußerst dankbar für den fruchtigen Wein sein würden, den sein Cellerar mit Peer in den Keller brachte. Die nächste Station war der Turm am Eigelsteintor. Durch Marians Vermittlung und mit einem Fässchen als Kostprobe hatte sie den Turmvogt als neuen Kunden gewonnen, der nun regelmäßig jede Woche seine Ware haben wollte. Noch einmal versicherte sie sich, dass man zufrieden mit dem Wein war, und fragte dann, weil sie anschließend die Adlerwirtin aufsuchen wollte, nach dem
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