Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nebenwirkungen

Nebenwirkungen

Titel: Nebenwirkungen
Autoren: Woody Allen
Vom Netzwerk:
gesagt, du würdest lieber sterben, als deinen Grundsätzen untreu werden.
    ALLEN: Ganz recht, ganz recht... äh, kam der Begriff "Verbannung" je zur Sprache?
    AGATHON: Sie hörten letztes Jahr mit dem Verbannen auf. Zu viel Verwaltungskram.
    ALLEN: Ganz recht... jaaa ... (Verwirrt und beunruhigt, versucht aber, gelassen zu sein) Ich äh... also äh... also - sonst noch was Neues?
    AGATHON: O ja, ich traf Isosoles. Er hat eine phantastische Idee zu einem neuen Dreieck.
    ALLEN: Sehr schön ... sehr schön ... (Gibt plötzlich die ganze mutige Verstellung auf) Seht, ich will zu euch ganz ehrlich sein - ich will nicht fort! Bin noch zu jung!
    AGATHON: Aber das ist deine Chance, für die Wahrheit zu sterben!
    ALLEN: Versteht mich nicht falsch. Ich habe nichts gegen die Wahrheit. Andererseits bin ich für nächste Woche in Sparta zum Essen verabredet, und ich hätte was dagegen, es zu verpassen. Ich bin mit der Einladung dran. Ihr wißt, diese Spartaner prügeln sich so schnell.
    SIMMIAS: Ist unser weisester Philosoph ein Feigling?
    ALLEN: Ich bin kein Feigling, und ich bin kein Held. Ich bin dazwischen irgendwo.
    SIMMIAS: Ein Wurm, der kriecht.
    ALLEN: Das trifft’s beinahe.
    AGATHON: Aber du warst es doch, der uns bewies, daß der Tod nicht existiert.
    ALLEN: Na, hör mal - ich habe vielerlei bewiesen. So bezahl ich meine Miete. Theorien und Bemerkungen am Rande, ’ne witzige Äußerung so hin und wieder. Gelegentlich Maximen. Da braucht ich wenigstens Oliven nicht zu pflücken, doch wir wollen uns nicht hinreißen lassen.
    AGATHON: Aber du hast viele Male bewiesen, daß die Seele unsterblich ist.
    ALLEN: Und das ist sie! Auf dem Papier. Nicht wahr, das ist der Haken an der Philosophie - sie klappt nicht ganz so logisch, wenn man die Universität erst mal verlassen hat.
    SIMMIAS: Und die ewigen "Urformen"? Du sagtest, jedes Ding habe immer schon existiert und werde immer existieren.
    ALLEN : Ich sprach im wesentlichen von schweren Gegenständen. Einer Statue oder so. Mit Menschen ist es ganz was anderes.
    AGATHON: Aber das ganze Gerede, der Tod sei genau dasselbe wie der Schlaf.
    ALLEN: Ja, aber der Unterschied ist der, wenn man tot ist und jemand schreit: "Alles aufstehen, es ist schon Morgen", ist es sehr schwierig, seine Pantoffeln zu finden. (Der Henker tritt mit einem Becher Schierling ein. Im Gesicht sieht er dem irischen Komiker Spike Milligan sehr ähnlich.)
    HENKER: Also - da wären wir. Wer kriegt das Gift?
    AGATHON: (zeigt auf mich) Der da.
    ALLEN: Oje, das ist aber ein großer Becher. Muß das denn so dampfen?
    HENKER: Ja. Und trink alles aus, denn oft ist das ganze Gift unten am Boden.
    ALLEN (An dieser Stelle weicht mein Verhalten total von dem Sokrates’ ab, und man sagt mir, ich schriee im Schlaf.) Nein - ich will nicht! Ich will nicht sterben! Hilfe! Nein! Bitte! (Er reicht mir das brodelnde Gebräu, während ich schamlos um Hilfe winsele, und alles scheint verloren. Da nimmt der Traum aufgrund irgendeines angeborenen Überlebenstriebs eine Wendung, und ein Bote erscheint.)
    BOTE: Man halte ein! Der Senat hat seine Meinung geändert. Er läßt die Anklage fallen. Dein Ansehen ist wiederhergestellt, und es ist beschlossene Sache, dich statt dessen hoch zu ehren.
    ALLEN: Endlich! Endlich! Sie sind zur Vernunft gekommen! Ich bin ein freier Mensch! Frei! Um sogar geehrt zu werden! Schnell, Agathon und Simmias, holt mir meine Hosen. Ich muß eilen. Praxiteles wird mit meiner Büste bald beginnen wollen. Doch eh ich geh, geb ich euch noch ein kleines Gleichnis.
    SIMMIAS: Oje, das war wahrhaftig eine scharfe Wendung. Ich frage mich, ob sie wohl wissen, was sie tun.
    ALLEN: Eine Gruppe von Menschen lebt in einer dunklen Höhle. Sie wissen nicht, daß draußen die Sonne scheint. Das einzige Licht, das sie kennen, sind die flackernden Flammen von ein paar kleinen Kerzen, die sie benutzen, wenn sie umhergehen.
    AGATHON: Wo hatten sie die Kerzen her?
    ALLEN: Nun, sagen wir, sie haben sie.
    AGATHON: Sie leben in einer Höhle und haben Kerzen? Das klingt nicht wahr.
    ALLEN: Kannst du’s nicht für den Augenblick mal glauben?
    AGATHON: Okay, okay, doch komm zur Sache.
    ALLEN: Und eines Tages dann wandert einer von den Bewohnern aus der Höhle hinaus und erblickt die Welt draußen.
    SIMMIAS: In all ihrer Klarheit.
    AGATHON: Als er’s den anderen erzählen will, glauben sie ihm nicht.
    ALLEN: Äh, nein. Er erzählt’s den anderen nicht.
    AGATHON: Nein?
    ALLEN: Nein, er macht auf dem Markt einen Fleischstand auf,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher