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Nebenwirkungen

Nebenwirkungen

Titel: Nebenwirkungen
Autoren: Woody Allen
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sonst noch sein? Daß ich es selbst dahin gebracht hatte durch die enge Beziehung zu ihrer Mutter, war nicht zu leugnen. Vielleicht war es meine verdiente Strafe dafür, daß ich dachte, ich könne Emily Chasen verführen und in mein Bett ziehen, nachdem ich mich schon mit ihrem Fleisch und Blut ausgetobt hatte.
    Die Sünde der Selbstüberhebung vielleicht. Ich, Harold Cohen, der Selbstüberhebung schuldig. Ein Mensch, der sich nie einer höheren Gattung als der der Nagetiere zugeordnet hatte, angeprangert wegen Selbstüberhebung? Zu hart, um sich’s gefallen zu lassen. Und doch trennten wir uns. Genau gesagt, wir blieben Freunde und gingen jeder seiner eigenen Wege. Sicher, nur zehn Querstraßen lagen zwischen unseren Wohnungen, und jeden zweiten Tag sprachen wir miteinander, aber unsere Beziehung war perdu. Da, und erst da begann ich mir klarzuwerden, wie sehr ich Connie wirklich verehrt hatte. Zwangsläufig steigerten akute Anfälle von Niedergeschlagenheit und Angst meine proustischen Qualen. Ich rief mir alle schönen Augenblicke, die wir zusammen erlebt hatten, in Erinnerung, unsere exzeptionellen Betterlebnisse, und in der Einsamkeit meiner großen Wohnung weinte ich. Ich versuchte, zu Rendezvous zu gehen, aber wiederum zwangsläufig erschien mir alles flach. Alle die kleinen Discomäuse und Sekretärinnen, die durch das Schlafzimmer stolzierten, ließen mich kalt, schlimmer noch als ein Abend allein mit einem guten Buch. Die Welt erschien mir wirklich schal und unersprießlich, ein durchaus öder, grauser Ort, bis ich eines Tages die erstaunliche Nachricht erhielt, Connies Mutter habe ihren Mann verlassen und ließe sich scheiden. Stell dir das vor, dachte ich, während mein Herz zum erstenmal seit Äonen schneller als normal schlug. Meine Eltern zanken sich wie Montagues und Capulets und bleiben ihr ganzes Leben beisammen. Und Connies Leute nippen an Martinis, hängen mit wahrer Höflichkeit aneinander und lassen sich peng! scheiden.
    Was ich nun zu tun hatte, war klar. "Trader Vic’s". Nun konnte es keine lähmenden Hindernisse mehr auf unserem Wege geben. Obwohl es ja ein wenig peinlich wäre, weil ich Connies Liebhaber gewesen war, so gab es doch keine der unüberwindlichen Schwierigkeiten der Vergangenheit mehr. Wir waren jetzt zwei freie, selbständig handelnde Menschen. Meine schlummernden Gefühle für Emily Chasen, die immer geglimmt hatten, entbrannten aufs neue. Mag sein, daß eine grausame Schicksalsverkettung mein Verhältnis zu Connie zerstörte, aber nichts würde mich davon abhalten, die Mutter zu erobern.
    Auf dem Gipfel meiner ungeheuren Selbstüberhebung im Sparformat rief ich Emily an und verabredete mich mit ihr. Drei Tage darauf saßen wir eng nebeneinander in der Dunkelheit meines polynesischen Lieblingsrestaurants, und von drei Bahias enthemmt schüttete sie mir ihr Herz über das Ableben ihrer Ehe aus. Als sie zu der Stelle kam, daß sie sich nach einem neuen Leben mit weniger Einschränkungen und mehr schöpferischen Möglichkeiten umsähe, küßte ich sie. Ja, sie war verdutzt, aber sie schrie nicht. Sie wirkte überrascht, aber ich gestand ihr meine Gefühle für sie und küßte sie noch mal. Sie schien verwirrt, aber lief nicht außer sich vom Tisch weg. Beim dritten Kuß wußte ich, sie werde nachgeben. Sie teilte meine Gefühle. Ich nahm sie mit in meine Wohnung, und wir schliefen miteinander. Am nächsten Morgen, als die Wirkung des Rums verflogen war, sah sie immer noch großartig aus, und wir schliefen noch einmal miteinander.
    "Ich möchte, daß du mich heiratest", sagte ich, und meine Augen wurden glasig vor Entzücken.
    "Doch nicht wirklich", sagte sie.
    "Ja", sagte ich. "Ich gebe mich mit nichts Geringerem zufrieden. " Wir küßten uns und frühstückten unter Lachen und Pläneschmieden. Am selben Tag noch brachte ich die Neuigkeit Connie bei, auf einen Schlag gefaßt, der gar nicht kam. Ich hatte alle möglichen Reaktionen erwartet, vom höhnischen Gelächter bis hin zur unverhohlenen Wut, aber die Wahrheit war, Connie nahm es mit bezaubernder Gelassenheit auf. Sie selber führte ein rühriges, geselliges Leben, war mit mehreren attraktiven Männern zu sehen und hatte großes Interesse an der Zukunft ihrer Mutter gezeigt, als die Frau geschieden worden war. Und plötzlich war ein junger Ritter aufgetaucht, der für die reizende Dame sorgen wollte. Ein Ritter, der noch immer eine nette, freundschaftliche Beziehung zu Connie unterhielt. Es war ein Glücksfall auf der
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