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Nebenwirkungen

Nebenwirkungen

Titel: Nebenwirkungen
Autoren: Woody Allen
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ganzen Linie. Connies Schuldgefühl darüber, mich durch die Hölle gejagt zu haben, würde sich geben. Emily wäre glücklich. Ich wäre glücklich. Ja, Connie nahm das alles mit der gleichmütigen, aufgeräumten Gelassenheit hin, die ihrer Erziehung entsprach.
    Meine Eltern wiederum liefen augenblicklich ans Fenster ihrer Wohnung im zehnten Stock und stritten sich darüber, wer als erster rausspringt.
    "So was hab ich ja noch nie gehört", jammerte meine Mutter, während sie ihr Kleid zerriß und mit den Zähnen knirschte.
    "Er ist verrückt. Du Idiot. Du bist meschugge", sagte mein Vater und sah bleich und niedergeschlagen aus.
    "A finfundfinfzickjährige Schickse?!" kreischte meine Tante Rose, nahm den Brieföffner und hielt ihn sich vor ihre Augen.
    "Ich liebe sie", protestierte ich.
    "Sie ist mehr als zweimal so alt wie du", schrie Onkel Louie.
    "Na und?"
    "So schickt sich das nicht", schrie mein Vater, die Tora zitierend.
    "Die Mutter seiner Freundin will er heiraten?" kläffte Tante Tillie, als sie bewußtlos zu Boden sank.
    "Finfundfinfzick und ’ne Schickse", zeterte meine Mutter und suchte jetzt nach einer Kapsel Zyankali, die sie eben für solche Gelegenheiten aufgehoben hatte.
    "Was sind die denn, Mun-Leute?" fragte Onkel Louie. "Haben sie ihn hypnotisiert?!"
    "Idiot! Schwachkopf!" schrie Dad.
    Tante Tillie kam wieder zu Bewußtsein, starrte mich an, erinnerte sich, wo sie war, und kippte wieder um. In der entferntesten Ecke lag Tante Rose auf ihren Knien und stimmte "Sch’ma Yisroel" an.
    "Gott wird dich strafen, Harold", schrie mein Vater. "Gott wird dir die Zunge am Gaumen festkleben, und all dein Vieh und Gesinde sollen sterben, und ein Zehntel deiner ganzen Ernte soll verdorren und ..."
    Aber ich heiratete Emily, und keiner brachte sich um. Emilys drei Kinder nahmen dran teil und ungefähr ein Dutzend Freunde. Wir feierten in Connies Wohnung, und der Champagner floß in Strömen. Meine Familie konnte nicht, weil ein früher gegebenes Versprechen, ein Lamm zu opfern, Vorrang hatte. Wir tanzten und machten Witze miteinander, und der Abend war fabelhaft. Irgendwann fand ich mich mit Connie allein im Schlafzimmer wieder. Wir neckten uns und tauschten Erinnerungen an unsere Beziehung aus, an ihre Aufs und Abs, und wie sehr ich mich einmal sexuell zu ihr hingezogen gefühlt hatte.
    "Das war sehr schmeichelhaft", sagte sie herzlich.
    "Na schön, ich konnte es nicht mit der Tochter hinschaukeln, dafür habe ich eben die Mutter gekriegt." Als nächstes wurde mir klar, daß Connie ihre Zunge in meinem Mund hatte. "Was zum Teufel machst du denn?" sagte ich und schaltete auf Rückwärtsgang. "Bist du betrunken?"
    "Du machst mich verrückt, du glaubst nicht, wie", sagte sie und zog mich aufs Bett runter.
    "Was ist denn in dich gefahren? Bist du nymphomanisch?" sagte ich und stand auf, aber unleugbar erregt durch ihre plötzliche Leidenschaftlichkeit.
    "Ich muß mit dir schlafen. Wenn nicht jetzt, dann bald", sagte sie.
    "Mit mir? Harold Cohen? Dem Jungen, der mit dir gelebt hat? Und dich geliebt hat? Der nicht mehr an dich rankam, nicht mal auf Riechweite, bloß weil ich eine Spielart von Danny wurde? Auf mich bist du geil? Dein Brudersymbol?"
    "Es ist doch ’ne ganz neue Situation", sagte sie und drückte sich eng an mich. "Daß du Mom geheiratet hast, hat dich zu meinem Vater gemacht." Sie küßte mich wieder und sagte, kurz bevor sie zu der Fete zurückging: "Mach dir keine Gedanken, Dad, es wird genügend Gelegenheiten geben."
    Ich saß auf dem Bett und starrte aus dem Fenster in den unendlichen Raum. Ich dachte an meine Eltern und überlegte, ob ich das Theater aufgeben und wieder zur Rabbischule zurückgehen solle. Durch die halb geöffnete Tür sah ich Connie und Emily, beide lachten und plauderten mit den Gästen, und wie ich da so übriggeblieben rumsaß, eine schlappe, zusammengesunkene Gestalt, war alles, was ich vor mich hinmurmeln konnte, ein uralter Ausspruch meines Großvaters, der lautete: "Oi weh!“
     
     
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