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Neben Der Spur

Neben Der Spur

Titel: Neben Der Spur
Autoren: Ella Theiss
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Entdeckungstour.
    Also stampft sie entschlossen vorwärts, direkt auf den prompt herüberäugenden und sich straffenden Polizisten zu. »Das Wohnhaus, nicht wahr, Herr Wachtmeister?«
    Er nickt und zuckt gleichzeitig die Achseln.
    »Interessante Bauweise, wie?«
    »Zwanzigerjahre, glaub ich«, sagt er.
    »Ach! Die Sandsteinfigur vor dem dunklen Portal – was für ein Motiv!« Karo zückt ihre Kamera.
    »Tut mir leid, Nähertreten ist nicht erlaubt. Fotografieren auch nicht.«
    »Wie schade!«
    »Aber es gibt einen Prospekt von dem Haus, fragen Sie den Pressesprecher!«
    »Oh, danke für den Tipp!« Karo setzt ihr viel trainiertes Lieb-Kind-Lächeln auf. »Das mach ich sofort. Tschüsschen.«
    Sie schlendert davon, scheinbar den gleichen Weg zurück, den sie gekommen ist, um sich hinter der nächsten Kurve in eine Bambusgruppe zu verdrücken und in deren Sichtschutz zur Rückseite der Villa zu kriechen. Hermann Hepp, der Jubilar – da drin muss er sein. Bestimmt total verstört. Wenn Karo ein paar Fotos, ein paar Zitate ergattert, wird sie der Star der Lokalredaktion, vielleicht der ganzen Zeitung. Ha, Karo lässt sich nicht einfach so nach Hause schicken. Schon gar nicht von so einem Warmduscher wie Alex.
    Sie umrundet einen von abgeblühten Stauden umwucherten Fischteich, gelangt zu einer unmöblierten Terrasse, die Tür klafft auf, ein seidenmatter rosaroter Vorhang wabert im Luftzug. Karo drückt sich mit ihrem dünnen T-Shirt tapfer gegen den pikenden Rauputz und lauscht.
    »Gott sei Dank, er schläft! Bringen wir ihn zu Bett! Helfen Sie mir, Herr …« Die ebenso dunkle wie sanfte Frauenstimme bricht ab.
    »Ungewaschen?« – Das muss ein junger Mann sein.
    »Ziehen Sie ihm nur die Schuhe aus.«
    Schweigen, Klapp- und Rollgeräusche, ein zartes Quietschen. Karo lugt durch die Vorhangritze, erkennt einen Wohnraum in Form eines Sechsecks, mittendrin ein weißer Flügel auf buntem Flickenteppich, ansonsten Bücherregale bis zur Decke und einige regenbogenfarbene Aquarelle. Eine hochgewachsene Frau mit weißblonder Helmfrisur und formlosem dunklem Leinenkleid dirigiert einen Bodybuilder im Pflegerkittel, der wiederum eine schmale Gestalt im Rollstuhl durch die Seitentür rechts bugsiert. Die Frau dreht sich noch einmal um, sucht den Fußboden mit den Augen ab. Mitte fünfzig dürfte sie sein, mit ebenmäßig schönem Gesicht. Ihre schmalen weißen Hände pflücken ein schnurloses Telefon vom Regal. Die Frau geht hinter dem Pfleger hinaus und schließt die Türe hinter sich. Der Raum ist leer.
    Wenn Karo richtig beobachtet hat, ist das Schlafzimmer des alten Herrn irgendwo rechts nebenan. Sie schleicht mit angehaltenem Atem weiter ums Haus, folgt einem überdachten Weg und verharrt dort, wo just in diesem Moment hinter einem der Fenster zwei cremegelbe Vorhänge zugezogen werden.
    Karo lauscht, huscht weiter, bis der Eingangsbereich erneut in ihr Blickfeld gerät. Der weißblonde Helm verlässt das Wohnhaus, richtet ein paar freundliche Worte an den Polizisten. Der nickt und zuckt unschlüssig die Achseln – offenbar seine Lieblingsgeste.
    Ob der Pfleger dazu verdonnert ist, den Schlaf des Alten zu bewachen? Nein, kurz darauf tritt auch der Bodybuilder aus dem Portal, hockt sich neben den Polizisten auf die Bank und zündet sich eine Zigarette an.
    Das ist Karos Chance. Sie huscht zurück zur klaffenden Terrassentür. Mit klopfendem Herzen tritt sie ein. Ist das jetzt Hausfriedensbruch oder so? – Quatsch, das ist investigativer Journalismus! Günter Wallraff würde genauso handeln, oder?
    Sie schleicht durch den Raum, folgt der Türmündung nach rechts. Keiner da, ein unmöblierter Flur und eine zweite Tür. Karo drückt lautlos die Klinke. Das Zimmer ist abgedunkelt, auf einer monströsen Bettstatt, lang ausgestreckt und in eine Decke gehüllt, liegt der Alte, das Haar fast so hell wie das Bettzeug, eine breite hohe Stirn schimmert matt, eine schmale Nase ragt, mehr Schatten als Substanz, aus den Kissen, die Lider sind geschlossen. Aber er schläft nicht, brabbelt kaum hörbar vor sich hin. Auf dem Nachttisch erkennt Karo, säuberlich auf einem Häkeldeckchen drapiert, eine Brille mit Goldrand und ein shrimpförmiges rosa Hörgerät. Sie zückt die Kamera, versucht, ohne Blitzlicht auszukommen.
    Trotzdem reißt er die Augen auf, kleine helle Augen. »Gudrun?« Die Stimme klingt verwaschen.
    »Mein Name ist Karo.«
    »Max-Otto? Mein Gott! – Und ich dachte, du bist tot.«
    Karo beschließt, nicht zu
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