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Nebelgrab (German Edition)

Nebelgrab (German Edition)

Titel: Nebelgrab (German Edition)
Autoren: Barbara Klein
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geschrieben.«
    »Ich wäre fast draufgegangen! Bist du noch ganz bei Sinnen?«
    Adrian rückte seinen Stuhl so heftig an den Tisch, dass die Wachfrau sogleich zur Stelle war.
    »Schon gut.« Adrian beschwichtigte die Frau. »Ich gehe jetzt, bevor ich kotzen muss«, sagte er wieder an Karla gewandt.
    »Kannst du mir nicht noch Zigaretten besorgen? Sei so gut.«
    Karla lächelte in alter Manier. Adrian schnaubte und ging.

Seemannsgarn
    »Wir brachen in die Philosophische Fakultät ein, das heißt, Konrad hatte den Hausmeister bestochen, damit er uns eine Nebentür offen lässt. Mir schlug das Herz bis zum Hals, als wir durch die Gänge schlichen und den richtigen Raum suchten. Und dann fanden wir auf Anhieb den Schädel sowie das Pergament. Wir mussten eine Glasvitrine aufbrechen, um die Dinge an uns nehmen zu können, aber wir waren nun schon so weit gegangen – darauf kam es nicht mehr an.
    Mit dem Fund in der Tasche sahen wir zu, dass wir schnellstmöglich nach draußen kamen. Konrad und ich waren alleine, aber Lene wusste von der Aktion. Wir hielten es alle für besser, Hubert nichts davon zu erzählen.
    Wir versteckten die Sachen in Konrads Keller, so waren sie dicht bei den anderen Fundstücken, nahe unserer Höheren Töchterschule mit dem Friedensengel. Ich bin beruhigt, dass alle Fundstücke wieder da sind, und niemals wieder soll deswegen ein Unglück geschehen. Wenn wir drei eines Tages nicht mehr sind, wird unser Geheimnis über die Heilige Irmgard nur noch in diesem Büchlein stehen.
    So enden die Aufzeichnungen meiner Tante. Dass die Geheimnisse jetzt für alle offen liegen, stärkt viele im Glauben an das merkwürdige Leben der Heiligen Irmgard. Ihre Geschichte, die manchem schon angestaubt und überholt vorkommen mag, wird weiterleben, wird den Süchtelnern auch in Zukunft Trost und Frieden spenden, gerade jetzt durch diese »Wiederbelebung«. Die Schmuckstücke, der Schädel und das Pergament, deren Herkunft immer noch nicht geklärt ist, können noch bis einschließlich Silvester in unserer Pfarrkirche besichtigt werden. Anschließend werden sie zur weiteren Untersuchung zur Uni nach Köln gebracht.
    Ihr späterer Verbleib ist ungewiss, jedoch bemüht sich unser Pfarrer, das Heimatmuseum eines Tages damit zu beglücken. Die Chancen dafür tendieren gen Null, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
    Wo waren denn nun eigentlich die geheimnisvollen Gegenstände, die seit dem Zweiten Weltkrieg in Süchteln versteckt wurden?
    Frau Lorenz und Professor Konrad hatten die naheliegende Möglichkeit gewählt. Sie dachten, im Schoße der Irmgard wäre der beste Ort, und legten die Dinge in das Modell der Irmgardiskapelle, das Frau Lorenz als Bürodekoration dient. Nun ja, der Schädel passte nicht hinein. Er bekam seinen Platz im Aktenschrank unterhalb der archivierten ehemaligen Bewohner des Hauses. Verstorben zu verstorben. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …
    Die Geschichte der heiligen Irmgard ist um eine weitere Episode reicher geworden, auch wenn sie selber nichts dazu kann. Den Süchtelnern wird sie noch lange im Gedächtnis bleiben. Sie wird diejenigen auf den Plan rufen, die an der Existenz Irmgards zweifeln, und sie wird jene bestätigen, die die Sage um das fromme Leben dieser Frau verteidigen. Manchmal sind es die Gegensätze, die das Leben in dieser Kleinstadt so interessant machen.
    Ihr Adrian Seemann.«
    Marie legte einige Zeitungsblätter zusammen, die groß mit »Seemanns Garn« überschrieben waren.
    »Bist du zufrieden?« Sie lächelte Adrian an.
    »Zufrieden? Ich weiß nicht. Wenn ich an die ganze Sache denke, wird mir immer noch mulmig, und ich überlege oft, was einen Reporter antreibt. Was nimmt er in Kauf, um an eine gute Story zu kommen? Karla war mir ein Vorbild, und wenn die Polizei sie nicht überführt hätte, wäre sie das noch immer.«
    Er blickte aus dem Fenster. Es war schon dunkel, doch die benachbarten Geschäftsleute am Lindenplatz in Süchteln hatten illuminierende Weihnachtsdekoration an den Geschäften angebracht. Menschen liefen vorüber, versunken in ihrer Feiertagsplanung, und manche warfen einen neugierigen Blick in das nicht mehr leerstehende Büro, in dem Adrian an seinem eigenen Monatsblatt arbeitete. Noch war die Ausgabe eine vierseitige Loseblattsammlung, doch es lagen schon zahlreiche Hinweise und Einladungen auf dem Tisch, von denen viele eine Story wert waren. Vielleicht würde er eines Tages ganz zurückkehren; Süchteln bot schließlich mehr als
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