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Nebelflut (German Edition)

Nebelflut (German Edition)

Titel: Nebelflut (German Edition)
Autoren: Nadine d’Arachart
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im River Camac gefunden.« Er zeigte Patrick den ersten Beutel, darin ein zusammengeknülltes Kleidungsstück. Blassrosa Blütenornamente auf weißem Stoff. Das musste gar nichts heißen. Vermutlich hatte die Hälfte aller irischen Mädchen ein solches Nachthemd im Schrank.
    »Es könnte ihres sein.« Patrick sah, wie seine Mutter zusammenzuckte. »Aber es muss nicht.«
    McCarthy nickte und zeigte ihm den anderen Beutel. Ein schwarzes Plastikauge starrte ihn an, darunter eine schmutzige, aufgestickte Schnauze. Schlagartig bekam Patrick keine Luft mehr. Er presste sich die Faust vor den Mund und nahm seine eigenen kalten Finger wahr wie die eines Fremden.
    »Mister Namara?«
    »Es ist ihrer.«
    Aus der Richtung seiner Eltern ertönte ein dumpfer Knall. Evelyn war in die Knie gegangen und krallte sich mit beiden Händen am Bein seines Vaters fest. Jack war sichtlich überfordert.
    »Sind Sie sich sicher?« McCarthy blickte zurück zu seinem Kollegen, dann sah er Patrick an.
    »Absolut sicher.«
    »Wieso jetzt?« Jack klang gefasster, als Patrick erwartet hatte. »Wieso jetzt und nicht vor neunzehn Jahren?«
    »Wir gehen davon aus, dass sich der Täter der Beweisstücke entledigen wollte«, antwortete Callahan geradeheraus. »Vielleicht zieht er um. Vielleicht zieht jemand bei ihm ein. Vielleicht hat er schlicht und einfach das Interesse verloren.«
    »Woher wollen Sie das wissen?« In Jacks Stimme lag eine unüberhörbare Drohung, die allerdings weder Callahan noch McCarthy sichtbar beeindruckte.
    »Ich denke, wenn Sie ehrlich sind, wissen Sie es selbst, Mister Namara. Ich möchte und kann Ihnen keine falschen Hoffnungen machen. Es tut mir Leid.«
    »Raus.« Jack rührte sich nicht von der Stelle, hob lediglich die Hand und zeigte in Richtung Korridor.
    »Mister Namara …« McCarthy schlug einen beschwichtigenden Ton an, doch Patricks Vater hörte ihm gar nicht zu.
    »Verlassen Sie mein Haus!«
    Die beiden Beamten warfen einander einen kurzen Blick zu, dann räumten sie das Feld. Patrick blieb wie versteinert vor dem Sofa stehen, unfähig sich zu rühren. Dies war der Zeitpunkt, auf den sie seit neunzehn Jahren warteten und er fühlte sich noch schrecklicher an, als er es je für möglich gehalten hatte.

-3-
    Genau wie zu Hause hatte Tammie auch im Haus ihrer Großeltern ihr eigenes Reich. Amys altes Kinderzimmer war extra für sie renoviert und völlig neu hergerichtet worden. Patrick konnte nicht ausmachen, ob ihn das erleichterte oder kränkte, doch auf jeden Fall war es so einfacher für ihn, den Raum zu betreten.
    Tammie fürchtete sich nicht im Dunklen und war keines dieser Kinder, die nachts ins Bett ihrer Eltern kamen. Im Gegenteil: Sie schlief, als gäbe es nichts auf der Welt, vor dem sie Angst haben müsse.
    Patrick trat ans Fenster und blickte hinaus in die trübe Nacht. Automatisch suchte er die Umgebung mit den Augen ab, den Garten mit der alten Reifenschaukel und den Waldrand, doch es rührte sich nirgends etwas. Was erwartete er auch? Eine Gestalt, die sich aus den Schatten löste und herauf zu Tammies Fenster stierte? Ja, vielleicht. Vielleicht verbarg sich dort jemand, regungslos abwartend und bereit, sich die Nächste zu holen …
    Patrick wandte sich ab und versuchte sich zu beruhigen. Tammie würde nichts geschehen, sie war im Haus und somit sicher. Amys Geschichte würde sich nicht wiederholen.
    Amy . Seit dem Auftauchen der Polizisten hatte Patrick das Gefühl, dass sich eine eiserne Faust um sein Herz geschlossen hatte, die es nun mit aller Erbarmungslosigkeit zusammendrückte. Amys Sachen, in einem Fluss treibend, halb verrottet und achtlos weggeworfen. Müll, den keiner mehr brauchte. Allein die Vorstellung war so bitter, dass Patrick sie kaum aushalten konnte und er wusste, dass es seinen Eltern nicht anders ging. Nachdem Callahan und sein Kollege gegangen waren, war Weihnachten schlagartig vorbei gewesen. Grace hatte die Regie übernommen. Sie hatte zuerst Evelyn halbwegs beruhigt und sie dann alle an einen Tisch gebracht. Sie hatten noch eine Weile zusammengesessen und versucht, mit der Situation zurechtzukommen, sich Mut zu machen, neue Hoffnung zu schöpfen, dann aber schließlich entnervt und entkräftet aufgegeben. Noch nie hatten Patricks Eltern so desillusioniert, so müde auf ihn gewirkt wie heute Abend. Er selbst hingegen spürte eine Spannung in sich, an der auch Graces beschwichtigende Worte und die einlullende Stille dieses Dezemberabends nichts ändern konnten.
    Nachdem seine
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