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Nebelflut (German Edition)

Nebelflut (German Edition)

Titel: Nebelflut (German Edition)
Autoren: Nadine d’Arachart
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sie das Auto anhielt und schimpfend hinzu stieg. Dann widmete er sich wieder der traurigen Szenerie unten am Ufer des River Camac.

-6-
    Patrick schlief meist schlecht und er träumte nicht. Er hatte in der Nacht, als Amy verschwand, damit aufgehört. Wenn er schlief, war nur Dunkel um ihn herum, eine Düsterkeit, die so allumfassend und so beruhigend war, wie der Tod sein mochte. Nur eben endlich.
    Das Ende des Schlafs verschaffte ihm diesmal eine Hand, die seine Schulter packte und unsanft daran rüttelte.
    »Patrick! Wach auf!«
    Irgendwo auf halbem Weg in die Realität wunderte er sich über die Aufgeregtheit in Graces Stimme. Er öffnete die Augen und schaute zu ihr auf.
    »Das Auto ist weg, Patrick!«
    Verständnislos blinzelte er seine Frau an. Es wollte ihm nicht gelingen, das Gesagte einzuordnen. Er fühlte sich wie gerädert, hätte sich am liebsten einfach umgedreht und weitergeschlafen.
    »Deine Mutter und ich wollten eben die Geschenke in den Kofferraum packen, aber … der Wagen ist weg«, wiederholte sie.
    »Ist mein Vater vielleicht damit unterwegs? Wir parken ihn zu.« Er setzte sich auf und fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht.
    »Dein Vater ist hier ! Er schellt gerade die Nachbarn aus den Betten und fragt, ob sie etwas gesehen haben.« Grace erhob sich von der Bettkante und ließ Patrick aufstehen. Schlaftrunken sammelte er seine Kleidung von gestern auf und versuchte das schlechte Gefühl zu lokalisieren, das irgendwo in seinen Eingeweiden wühlte. Callahan und McCarthy fielen ihm wieder ein. Amys Nachthemd. Ihr Teddy. Es fühlte sich an wie ein Schlag in die Magengrube und er sank zurück aufs Bett.
    »Was hast du denn jetzt vor? Sollten wir nicht die Polizei rufen?« Grace sah ihn fragend an.
    »Doch, vermutlich.« Patrick zog sein Hemd über und knöpfte es halbherzig zu. Zwang sich zu funktionieren. »Wieso gehst du nicht runter und hältst Jack davon ab, das ganze Dorf aufzuwecken? Ich rufe in der Zeit die Polizei.«
    Einen Moment lang wirkte Grace noch unschlüssig, dann machte sie auf dem Absatz kehrt und verließ das Gästezimmer. Patrick wartete, bis sie die Tür geschlossen hatte, tastete die Taschen seiner Jeans ab und fand eine Diazepam, den ganzen Rest seines Vorrats. Lautlos fluchend schob er sie sich in den Mund und schluckte sie ohne Wasser. Draußen vor dem Haus hörte er seinen Vater rumoren. Er hätte definitiv mehr Tabletten mitnehmen sollen.
    »Sie sind in ein paar Minuten da.« Er trat aus dem Haus und wurde von der typisch milden Winterluft empfangen, die hier in Glencullen, eine Stunde außerhalb von Dublin, zwar ein wenig kühler als in der Innenstadt, aber immer noch nicht kalt war. Unglücklicherweise regnete es nicht, sodass nichts die Nachbarschaft daran gehindert hatte, sich vor dem Haus seiner Eltern zu versammeln. Mindestens ein Dutzend Männer und Frauen standen um Jack herum und zwar genau dort, wo gestern Abend noch Patricks Ford geparkt hatte.
    »Da bist du ja! Das kann doch wohl nicht wahr sein!« Sein Vater stampfte auf ihn zu. »Muss man sich jetzt schon vor seinem eigenen Haus bestehlen lassen? Wohin soll das noch führen?« Jacks Gesicht war puterrot und die Umstehenden stimmten ihm mit aufgebrachten Gesten und Gemurmel zu.
    Patrick erkannte nicht alle von ihnen. Seit er sie zuletzt gesehen oder zumindest bewusst wahrgenommen hatte, waren sie scheinbar ins Unermessliche gealtert. Er und Grace kamen mit Tammie jedes Jahr ein paar Mal her, aber Patrick bemühte sich stets, den Nachbarn und damit jedem Anflug von Sentimentalität aus dem Weg zu gehen. Er brauchte keine Weißt-du-noch-Geschichten. Er wusste noch und das reichte ihm.
    »Reg dich nicht auf, Dad.«
    »Seid ihr versichert? Ist der Wagen versichert?«, fragte der alte James O’Keefe, der mit seiner Frau gegenüber lebte.
    »Natürlich ist mein Sohn versichert, er ist doch kein Idiot!«
    Patrick sah auf die Uhr und erschrak darüber, wie lange er geschlafen hatte. Nachdem es erst stundenlang den Anschein gemacht hatte, dass er gar keine Ruhe würde finden können, war er schließlich praktisch ins Koma gefallen.
    »Bist du doch, oder, Patrick?«
    »Natürlich.« Er blickte in die Runde. »Machen Sie sich keine Gedanken. Die Polizei wird sich um alles kümmern. Versuchen Sie lieber, den Rest der Feiertage zu genießen.«
    Ein paar der Nachbarn lächelten ihm zu, ein paar andere schauten ihn zweifelnd an, bevor sich die kleine Menschenansammlung endlich aufzulösen begann. Man wünschte
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