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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss
Autoren: dtv
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gleich wissen, warum du heulst.« Er ließ seinen Sohn zu Boden fallen und schlug ihn mit aller Wucht ins Gesicht.

3
    »Ich sag dir, die hat praktisch darum gebettelt.«
    Sie saßen in der Kantine, und Divine, inzwischen vom Dienst im Krankenhaus abgelöst, erzählte Kevin Naylor von seiner Begegnung mit Krankenschwester Bruton am Medikamentenwagen. Vor einem Jahr noch wäre Naylor beeindruckt gewesen. Jetzt zeigte sein Gesicht, milde ausgedrückt, Skepsis.
    »Nein, ehrlich. Du kannst es mir glauben.«
    »Ach, hat sie es dir gesagt?«, fragte Naylor. »Ich meine, direkt ins Gesicht gesagt, du weißt schon.«
    Divine tunkte eine seiner Fritten in die braune Soßenpfütze, die sich auf seinem Teller ausgebreitet hatte. »Da braucht’s keine Worte, Mann. Da weiß jeder sofort, was los ist.« Er gestikulierte wild mit seiner Gabel und spritzte Soße auf den Tisch. »Ein großer Teil des Problems zwischen dir und Debbie   …«
    »Debbie und ich haben kein Problem.«
    »Im Moment vielleicht nicht.«
    »Wir haben kein Problem.« Naylors Stimme schwoll an, erregte Aufmerksamkeit.
    »Ich sag ja nur«, fuhr Divine unverdrossen fort, während er die nächste Fritte aufspießte, »dass du offensichtlich von Frauen null Ahnung hast.«
    »Du hingegen«, Lynn Kellogg beugte sich vom Nachbartisch herüber, »bist mittlerweile Experte, Mark, oder?«
    Sarkastische Zicke, dachte Divine. »Wenn du mir nicht glaubst«, entgegnete er, »komm einfach heute Abend zu der Fete. Da kannst du mich live erleben, den Mann, der die Anmache zur Kunst erhoben hat.«
    »Ich platze vor Neugier.«
    »Tja, die Neugier wirst du wohl noch eine Weile aushalten müssen.« Divine versenkte seine Gabel in einem Stück Fleischpastete. »Es sind so viele vor dir dran, weißt du.«
    Lynn schob ihren Teller weg und stand auf. »Was muss ich tun, damit es so bleibt? Ein Kreuz um den Hals tragen? Knoblauch essen?«
    Divine musterte sie einmal kurz von oben bis unten. »Nicht nötig. Bleib einfach so, wie du bist.«
    Er lehnte sich zurück und zwinkerte Naylor zu. Mit hochrotem Kopf ging Lynn davon, während einige Kollegen unterdrückt kicherten.
    »Das hättest du dir wirklich verkneifen können«, sagte Kevin Naylor leise.
    »Wieso? Sie hätte nur die Klappe zu halten brauchen.Außerdem stimmt es. Oder hättest du vielleicht Lust auf die? Mal ehrlich.«
    Naylor sah wieder zu seinem Teller hinunter und sagte nichts.
    Dieser schwanzgesteuerte Idiot, dachte Lynn auf dem Weg zur Treppe. Versteht von Frauen so viel wie ein Fünfjähriger. Sie erinnerte sich, wie er einmal eine Illustrierte von ihrem Schreibtisch genommen hatte, angelockt von der Blondine mit den knallroten Lippen und dem Titel ›Shere Hite und die klitorale Lust‹ auf dem Titelblatt. Er hatte geglaubt, es ginge um eine neue Pop-Gruppe.
     
    Gary James wartete seit fast zwei Stunden und noch waren fünf Personen vor ihm, zwei von ihnen Pakis. Wenn die eine Wohnung kriegten, rückte prompt die ganze Sippschaft samt Onkeln und Tanten und Neffen und Nichten an, die waren schlimmer als Wanzen. Er hatte es selbst erlebt. Dieses Pärchen nebenan, die beiden hingen ständig aneinander wie die Kletten und knutschten sich ab, dabei sahen sie aus, als ob sie noch in die Schule gehörten und auf dem beschissenen Wohnungsamt nichts zu suchen hätten. Überall Tattoos, bis hinauf zum Hals, das Mädchen mit so vielen Ringen in der Nase, dass sie damit einen Laden eröffnen könnte, und der Kerl mit verfilztem Haar wie so ein Rasta, auch wenn er weiß war wie Gary. Und ein paar Häuser die Straße runter wohnte so eine fette Jamaikanerin, die drei Kinder mit sich herumschleppte und schon das nächste erwartete.
    Jesusmaria! Gary hatte keine Uhr an, und die Uhr im Warteraum war schon die letzten drei Male kaputt gewesen.
    »Hey, Kumpel.« Er tippte dem Pakistani neben sich auf die Schulter und zeigte auf sein Handgelenk für den Fall, dass der Kerl kein Englisch konnte. »Hast du die Uhrzeit?«
    »Gleich Viertel vor vier«, sagte der Mann höflich und lächelte.
    Grins du mich nicht an, du schmieriger Hund. Spar dir dein Grinsen für wenn du dran bist. Mann, von wegen zwei Stunden, jetzt sind es schon bald drei.
    »Hey!«, schrie er. »Hey, ihr da!« Er riss einen der Metallstühle an sich und rammte ihn mit Wucht gegen die Wand. »Glaubt ihr vielleicht, ich hab nichts Besseres zu tun, als den ganzen Vormittag hier herumzuhocken? Ich will jetzt endlich mit jemand reden. Und zwar auf der Stelle.«
    »Sir«, sagte
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