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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss
Autoren: dtv
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zu den Ereignissen der vergangenenNacht, Nachrichten und Aktennotizen, Berichte über Festnahmen und Entlassungen, all das lag praktisch unberührt auf seinem Schreibtisch. Betrunkene Randalierer, ein halbes Dutzend Männer und eine Frau. Die meisten waren Resnick bekannt. Wahrscheinlich hatte man sie inzwischen verwarnt und wieder auf freien Fuß gesetzt. Sie würden unverzüglich weitertrinken, um sich für den Abend in Stimmung zu bringen. Schließlich war Weihnachten. Und war das nicht der Sinn von Weihnachten?
    Im Dienstraum begannen zwei Telefone fast gleichzeitig zu läuten. Resnick blendete das Geräusch aus.
    In Anbetracht der Möglichkeiten – die vielen teuren, schon verpackten Geschenke in den unbeaufsichtigten Wohnungen – war die Zahl der Einbrüche längst nicht so stark gestiegen, wie man hätte erwarten können. Trotzdem hatten sicherlich viele nach der Rückkehr von der Betriebsweihnachtsfeier, dem Ritual zweideutiger Witze und Anzüglichkeiten, nach Hause zurückgekehrt, um dann feststellen zu müssen, dass ihre Schätze geklaut worden waren. All die kostspieligen Symbole, die Status und Bewunderung sichern sollten, in weniger als einer Viertelstunde von flinken Händen entwendet.
    Die Telefone klingelten weiter. Resnick stieß seine Bürotür auf, um irgendjemanden anzuherrschen, und sah, dass niemand da war. Ein Aktenschrank mit einer nur halb zugeschobenen Schublade, Becher mit Tee, der immer dunkler wurde, Schreibmaschinen und Computerbildschirme, alles verwaist. Resnick ging an den Apparat, der ihm am Nächsten war, meldete sich und bat den Anrufer zu warten, während er sich um das zweite Gespräch kümmerte. Einem Briefträger, mit dem Fahrrad unterwegs zum Zustellamt der Post an der Incinerator Road, war ein Taxi aufgefallen, das knapp vor ihm abgebogen und in Richtung Brücke gefahren war; er hatte die beiden Jugendlichen hinten im Wagen guterkennen können. Eine Frau, die mit einer Packung Zigaretten und einem Karton Milch aus einem Tankstellenshop trat, war von zwei vorbeirennenden jungen Kerlen beinahe umgerissen worden. Resnick notierte sich die Namen und Adressen und vereinbarte mit dem Briefträger, wann dieser auf die Wache kommen würde. In diesem Moment trat Lynn Kellogg rückwärts durch die Tür.
    In der einen Hand hielt sie, wie er sah, als sie sich herumdrehte, zwei Sandwiches, in der anderen zwei Becher Filterkaffee, einer davon ohne Milch. Constable Lynn Kellogg war mittelgroß, kräftig gebaut, rosig und frisch. Sie war soeben aus dem Urlaub zurückgekehrt, hatte die Tage bei ihren Eltern in Norfolk verbracht, die eine Geflügelfarm besaßen.
    »Mozzarella und Tomate«, sagte sie und reichte Resnick eine halb durchgeweichte braune Papiertüte. »Ich nehme an, Sie haben noch nichts gegessen.«
    »Danke.« Er nahm den Deckel des Kaffeebechers ab und trank. »Ich dachte, Sie wollten erst am Nachmittag zurückkommen.«
    Lynn schnitt ein Gesicht und ging zu ihrem Schreibtisch.
    »Wie geht’s zu Hause?«, erkundigte sich Resnick.
    Lynn zuckte mit den Schultern. »Nicht allzu schlecht.« Sie schüttelte ein paar lose Salatblätter aus der braunen Tüte und stopfte sie in ihr Sandwich.
    »Ich habe den Truthahn gefunden«, bemerkte Resnick mit einer Kopfbewegung zu seinem Büro.
    »Gut.« Sie lachte plötzlich. »Aber es ist eine Ente.«
     
    »Es würde mich interessieren   …«, sagte Divine, als er nach der Befragung genau im richtigen Moment aus dem Krankenzimmer kam, um Schwester Bruton auf dem Weg zum Medikamentenwagen abzupassen. Lesley Bruton – groß und schlank mit einer dunklen Mähne, die sich unter demSchwesternhäubchen kaum bändigen ließ   –, so stand es auf ihrem Namensschildchen. »Wie gesagt, Lesley, mich würde interessieren   …«
    »Was denn?«
    »Wann Sie hier aufhören. Sie wissen schon, wann Sie Dienstschluss haben.«
    »Ich habe schon verstanden.«
    »Und?« Sie sah ihn mit einem Blick an, der einen sensibleren Menschen vernichtet hätte, und nahm ein Klemmbrett von ihrem Wagen. »Hey, das ist keine Anmache. Ehrlich nicht.«
    Ihre Augen blitzten amüsiert. »Ach, soll ich Ihnen vielleicht bei Ihren Ermittlungen helfen?«
    Was?, dachte Divine. Das fehlte gerade noch. »Nein«, sagte er, »es ist nichts Amtliches   …«
    »Das habe ich mir fast gedacht.«
    »Verstehen Sie, ich muss hierbleiben, bis er wieder auf Station gebracht wird. Raju, meine ich. Das kann – na ja, ich weiß nicht – Stunden dauern.«
    »Kann sein, ja.«
    »Und ich muss
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