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Nebel über dem Fluss

Nebel über dem Fluss

Titel: Nebel über dem Fluss
Autoren: dtv
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dringend noch ein Geschenk besorgen. Für morgen.«
    »Etwas Besonderes, hm?«
    Divine nickte mit Unschuldsmiene.
    »Für eine Freundin?«
    »So ungefähr, ja.«
    »Unterwäsche vielleicht?«
    Divine lächelte schief. Er geriet immer stärker ins Schwitzen.
    »Schwarz und sexy?«
    »Warum nicht?«
    Sie sah ihn an, ohne etwas zu sagen. Abwartend.
    »Es gibt da einen Laden«, erklärte Divine. »In der Passage hinter dem Rathaus. Eine echte Nobelboutique.«
    »Kenne ich«, sagte Lesley Bruton. »Mein Freund kauft dort immer für mich ein.«
    Mann o Mann, dachte Divine und fragte sich mit einem Blick auf ihre blütenweiße Tracht, was sie darunter anhatte.
    Lesley strich mit den Händen über den Metallgriff des Medikamentenwagens. »Und Sie wollten mich fragen, ob ich da mal vorbeischauen könnte, wenn ich hier fertig bin?«, fragte sie. »Um etwas für Sie zu besorgen. Für Ihre Freundin. BH und Höschen vielleicht. Oder ein Camisole Top? Vielleicht einen Body?«
    »Genau. So was in der Art«, sagte Divine, der hoffte, ein Camisole Top sei so ein durchsichtiger Spitzenfummel, wie er ihn sich vorstellte.
    »Vielleicht kann ich die Sachen ja auch gleich für Sie anprobieren?«
    »Gern.« Divine konnte sein Glück kaum fassen.
    »Na klar.« Lesley fixierte ihn einen Moment, dann neigte sie sich ihm zu. »Träumen Sie weiter«, sagte sie und ging davon, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen.
     
    Gary plagte sich seit fast zwei Stunden mit der Tür herum, länger, wenn man die Zeit mitrechnete, die er gebraucht hatte, um zu seinem Kumpel Brian hinüberzulaufen und sich anständiges Werkzeug auszuleihen. Michelle wusch in der Zeit eine zweite Ladung Wäsche, stillte Natalie und bereitete dann Fischstäbchen und Bohnen für Karl und einen Toast für sich selbst zu. Gary behauptete, er habe keinen Hunger.
    Michelles Mutter hatte sie gebeten, am Nachmittag mit den Kindern vorbeizukommen, weil sie ihnen ihre Geschenke geben wollte, und Michelle war bereit, die Fahrt auf sich zu nehmen, auch wenn das bedeutete, zweimal umzusteigen, und das mit dem Kinderwagen. Ihre Eltern wollten am nächsten Morgen sehr früh nach Darlington aufbrechen,um mit Michelles älterer Schwester Marie und deren Familie Weihnachten zu feiern. Sie lebten dort in einer Doppelhaushälfte, vier Zimmer, die sie bei einer Zwangsversteigerung spottbillig bekommen hatten.
    »Michelle!« Garys Stimme.
    »Ja?«
    »Hilf mir doch mal.«
    »Gleich.«
    »Nicht gleich, jetzt.«
    Das Teewasser würde gleich kochen, Natalie quengelte, Karl schrie im Wohnzimmer, und sie wusste nicht, was er wollte. Während der Tee zog, hatte sie eigentlich nachsehen wollen, ob genug Früchtefüllung übrig war, um noch ein paar süße Pasteten für Weihnachten zu backen. Die letzten, die sie gemacht hatte, waren besser als alle gekauften gewesen.
    »Michelle! Kommst du jetzt endlich?«
    Seufzend schob sie den Teekessel auf die Seite. Durch die offene Wohnzimmertür sah sie, wie Karl aufs Sofa kletterte, um sich hinunterrollen zu lassen.
    »Sei vorsichtig«, rief sie ihm im Vorbeigehen zu. »Sonst tust du dir weh.«
    »Hier«, sagte Gary. »Halt da mal fest.«
    »Wo?«
    »Verdammt noch mal! Da, natürlich.«
    Michelle drückte zwei Finger oben auf die Türangel und den Daumen von unten dagegen.
    »Okay, jetzt zieh rüber, damit ich mit dem Schraubenzieher dran kann.«
    Sie hörte ihn atmen, laut und stoßweise. Er hasste solche Arbeiten im Haus.
    »Gut. Lass jetzt bloß nicht los. Halt fest und drück.«
    Aus dem Haus hörte sie plötzlich lautes Geschrei und wusste, dass Karl gefallen war und sich weh getan hatte.
    Gary merkte, dass sie wegwollte, und hielt sie auf. »Ich bin in einer Sekunde fertig. Bleib hier.«
    »Aber Karl, er hat sich   –«
    »Ich hab gesagt, bleib hier, verdammt noch mal.«
    Eine letzte Drehung, und die Schraube brach durch das splitternde Holz des Türrahmens, rutschte seitwärts und schlug ihm den Schraubenzieher aus der Hand. Michelle konnte die Angel nicht länger halten, und die ganze Tür kippte nach außen, riss die untere Angel mit heraus.
    »Scheiße«, schrie Gary. »Gottverdammte Scheiße.«
    »Gary!«, rief Michelle. »Hör auf.«
    Blut rann über ihre Finger und sammelte sich in der Handfläche.
    An der Tür stand Karl, die Fäuste auf die Augen gedrückt, und schrie mit weit aufgerissenem Mund.
    »Scheiße!«, brüllte Gary wieder und trat gegen den Türrahmen. »Und du«, er packte Karl bei den Armen und riss ihn in die Höhe, »du wirst
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