Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe
Autoren: Uschi Zietsch
Vom Netzwerk:
keinerlei Chance hätten. Innerhalb weniger Herzschläge könnten die Fische hier ein Blutbad anrichten, und kein einziger Nauraka würde entkommen. Doch man nannte das Volk der Tiefe nicht umsonst heute noch respektvoll »Drachenzähmer«.
    »Es gibt niemanden, der besser ist als wir!«, jubelte Eri, schwang die Armbrust und stieg mit Dullo schnell auf.
    »Nicht aus der Reihe tanzen!«, mahnte Geror, der Oberste Jäger. Er führte den Befehl über die gesamte Schar, einschließlich der Treiber, und unterstand nur dem Hochfürsten selbst. Selbst Lurion musste sich seinen Anweisungen fügen. Geror war schon grau, sehr erfahren und besonnen. Stets musste er die Jüngeren tadeln. Eri wusste, dass er früher ein rechter Draufgänger gewesen war – und einer der Überlebenden, der eine eigene Seeschwärmer-Brut aus den wilden Weiten aufzog. Nur zwei Finger der linken Hand hatte ihn seinerzeit das waghalsige Abenteuer gekostet und ihn schon in jungen Jahren in dieses hohe Amt befördert.
    »Schon gut!«, rief Eri fröhlich. Er konnte es kaum mehr erwarten, und Dullo auch nicht. Endlich wurde der Befehl gegeben, und der junge Seeschwärmer breitete die Flossenschwingen zu voller Größe aus und begann kraftvoll zu schlagen. Sein Leib schoss wie ein Pfeil durch das Wasser, wühlte es durch seine schiere Masse auf, und Eri sah Dutzende Schwarmfische, die aufgescheucht vor ihnen flohen. Acht Jäger, zwei Späher, fünfzehn Treiber und die beiden Prinzen nahmen nach und nach ihre zugeteilte Position im Schwarm ein, und in geordneter Formation ging es los, hinaus in die tiefblaue See.

    Die Stadt wurde immer kleiner und war bald nur noch ein schimmernder Punkt in unendlicher Dämmerung. Sie schwammen in die Weite hinaus, wo es nichts mehr gab außer Lichtschichten und der sandige Grund weit nach unten abfiel. Jeder Reisende, der zu besseren Nahrungs- oder Laichgründen wollte, musste die Weite durchqueren. Sie war niemals wirklich leer, auch wenn es manchmal nicht einfach war, auf jemanden zu treffen. Es konnte vorkommen, dass man mehrere Dämmerungszyklen reiste, ohne dass es zu einer Begegnung kam. Doch legte man es auf Heimlichkeit an, würde man sicher sofort entdeckt.
    Die Späher waren schon nicht mehr zu sehen, und Eri genoss die Freiheit des Ritts hier draußen. Alle Strenge und Ordnung der Stadt lag hinter ihm, hier konnte er aufatmen und die Erhabenheit der See auf sich einwirken lassen.
    Mittlicht brach an, und immer wieder tauchten sie ins Zwielicht ein, verschwanden an der Grenze zwischen Licht und Dunkelheit. Nicht nur die Seeschwärmer waren bestens daran angepasst, auch die Nauraka mit ihrer sanft schimmernden Haut, die auf große Entfernung wie ein zartes Lichtspiel wirkte, ein leichtes Flirren, das sich rasch auflöste.
    Der erste Späher kehrte zurück und wies den Treibern mit den Netzen die Richtung zu einem großen Schwarm Meringis, unterarmlange, silbrige Fische mit köstlichem rotem Fleisch. Jeder einzelne Stadtbewohner würde davon seinen Anteil erhalten, wenn die Treiber sich mit den Netzen geschickt anstellten, und die Seeschwärmer würden ordentlich zu schleppen haben.
    Es war die Pflicht des Hochfürsten, seine Untertanen zu ernähren, und unter Ragdurs Herrschaft hatte noch nie jemand Not leiden müssen. Der Fürst sorgte stets für Überfluss und Abwechslung, und alle dreißig Dämmerungszyklen lud er das Volk in die große Versammlungshalle zum Festmahl, wo es besondere Leckereien gab, wie etwa in Vulkanglut gerösteter Schwertfisch. Wer keinen Platz mehr in der Halle fand, wurde draußen versorgt, niemand kam zu kurz. Das war eines der wenigen Dinge, wofür Eri seinen Vater respektierte.
    Auch der zweite Späher traf nun ein und meldete: »Ein Urantereo, nicht weit von hier!«
    Diese Nachricht löste Aufregung unter den jungen Jägern aus. Ein Urantereo oder auch Schlängelaal maß über zwanzig Mannslängen und war zwei Mannslängen im Durchmesser dick. In seinem runden Schädel saßen Zähne, die so dick und scharf wie gezackte Felsblöcke waren und so groß wie der Kopf eines Nauraka. Nicht einmal  Seeschwärmer griffen diesen Riesen an.
    »Wir suchen einen anderen Räuber«, sagte Geror, aber diesmal widersetzte Lurion sich.
    »Auf keinen Fall! Es kommt nur alle paar Korallenkronen vor, dass ein Urantereo sich so nah an unsere Grenze wagt. Ich werde mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen!«
    »Und ich verbiete es«, widersprach der Oberste Jäger ungerührt, und die Erfahrenen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher