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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe
Autoren: Uschi Zietsch
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sehr gefährliche Aufgabe, die demjenigen, der sie erfolgreich bestand, hohe Ehren und Ansehen zuteil werden ließen. Kein Wunder, von zehn Mutigen kam höchstens einer mit dem Leben davon; vielleicht nicht in einem Stück, aber immerhin noch zum Triumphzug fähig. 
    Doch dann war die Sache mit Mhurin passiert, und Eris Vorstellung eines richtigen Helden hatte sich von Grund auf gewandelt. Wie schnell konnte es mit dem Leben vorbei sein! Und erst recht, wenn man es auch noch darauf anlegte. Darum hörte er zum ersten Mal auf seine Mutter und gab ihr das aufrichtige Versprechen, diesen Wahnsinn niemals zu versuchen. Eri wollte leben und so viel wie möglich von der Welt sehen. Er konnte seinen Mut auch anders unter Beweis stellen.
    Eris Kiemen spreizten sich weit, als der Fels unter ihm steil nach unten abfiel und den Blick auf ein weites, direkt am Vulkan gelegenes Gebiet freigab, aus dessen Tiefe die Blumentiere heraufleuchteten, über denen majestätisch riesige Fische schwebten. Der breite, flache Körper der Seeschwärmer war zwei Mannslängen lang, der über eine Halsbucht mit dem Rumpf verbundene, spitz zulaufende Kopf mit den großen blau glühenden Augen noch einmal eine halbe Mannslänge. Der dünn auslaufende, mit einem Zackenstachel versehene Schwanz maß drei Mannslängen, und die weit ausladenden Flossenschwingen insgesamt vier. Ihre dunkelgraue Haut trug überall verschieden große, schwarze Ringe mit leuchtend gelben, blauen und grünen Tupfen darin. Auf große Entfernung löste sich das leuchtende Punktgewirr im Dämmerlicht auf, und diese allesfressenden Räuber konnten sich unbemerkt heranschleichen, das Flirren des Zwielichts ausnutzend, bis ihre Konturen sich erst kurz vor der Beute deutlich herausschälten. Und dann war es zu spät. Erkenne einen Seeschwärmer, und du bist tot.
    Manch ein Händler, der sich um besonderes Vertrauen verdient gemacht hatte, durfte die Überreste toter Seeschwärmer erstehen und weiterverkaufen. Ein sehr lukratives Geschäft, vor allem für Landgänger, das nur wenigen zugestanden wurde.
    Die Nauraka waren die Meister der Seeschwärmer, aber sie respektierten die Fische und vergaßen nie die nötige Vorsicht im Umgang mit ihnen walten zu lassen. Auch, wenn sie durch die Handaufzucht an ihre Herren gebunden waren, blieben sie unberechenbar. Wie alles im Reich der See. Wahre Sicherheit gab es nie.
    Die Jäger verteilten sich am Rand der Gründe. Jeder besaß seinen eigenen Fisch und erkannte ihn an dem einzigartigen Muster der Farbringe. Auch die Fische konnten ihre Herren nicht verwechseln – jeder blies mit der Muschelflöte einen ganz bestimmten Ton, der unverkennbar war und von keinem anderen benutzt wurde. Auch Eri zog seine gewundene kleine Flöte hervor, setzte die Fingerspitzen an die Öffnungen und pfiff. Viele Landbewohner glaubten, die See wäre stumm, und die mit Kiemen Behafteten könnten keine Laute hervorbringen. Sie wussten es schlicht nicht besser, da ihr Gehör nicht darauf eingestellt war, um nicht zu sagen taub für die Welt unter Wasser. Denn nahezu jedes Wesen hier unten besaß eine Stimme, selbst einige der Korallen. Es herrschte niemals absolute Stille. Nirgends.
    Aus der Masse sich windender Leiber löste sich ein Seeschwärmer und schwebte mit langsamen Schlägen auf Eri zu. Er hieß Dullo,  war drei Korallenringe jung und somit noch nicht ganz ausgewachsen, aber bereits jetzt schon fast so groß wie der Schwarmführer, sein Vater. Er entstammte einer zahmen Zucht. An der linken Kopfseite prangte ein auffälliger roter, unregelmäßiger Fleck, der ihm den Namen eingebracht hatte. Selbst für ungeübte Augen war er leicht auszumachen.
    Eri ließ sich in der schmalen Halsgrube nieder; der Fisch wurde nur mit Schenkeln und Füßen gelenkt, was enormes Geschick abverlangte. Wer nicht früh genug damit anfing, lernte es womöglich nie richtig. Eine falsche Bewegung, und es konnte das Ende sein. Doch Eri und Dullo waren gut aufeinander eingespielt. Der Prinz hatte sich fast jeden Tag um den Heranwachsenden gekümmert, seit er nicht mehr als eine Fingerspanne lang gewesen war, und ihn spielerisch herangeführt, seinen Befehlen zu gehorchen.
    Sein Herz pochte aufgeregt. Der Moment, den er am meisten liebte, wenn es zur Jagd ging, war gekommen: Der Aufbruch. Alle waren in froher Erwartung, die Seeschwärmer angespannt, konnten kaum gehalten werden. Und doch verwandelten sie sich nicht in die gefürchteten reißenden Bestien, gegen die die Nauraka
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