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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe
Autoren: Uschi Zietsch
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von einem ganz besonderen Perlmuttglanz. Durch die Heirat mit Ymde war Ragdur zum Hochfürsten aufgestiegen, dem höchsten Stand im Reich der Nauraka. Die anderen Sippen ehrten die Darystis, sie waren unangefochten am reichsten und mächtigsten.
    Auch den Nachkommen Ymdes sah man die Herkunft an, sie waren von besonders edlem Wuchs, der Bewunderung und Neid zugleich hervorrief. Eri hatte zudem die hellen Haare seiner Mutter geerbt, wohingegen Luris Haare vulkanschwarz wie die ihres Vaters waren. Doch auch ihre zumeist kunstvoll geflochtenen und hochgesteckten Haare trugen einen ungewöhnlichen Glanz. Erbprinz Lurion, der sich ganz besonders viel auf seine Herkunft einbildete, konnte es kaum verwinden, dass er noch zwei spätgeborene Geschwister hatte, die seine Einzigartigkeit schmälerten. Was hatte Lurions Eltern, die nicht aus Liebe geheiratet hatten, nur dazu gebracht, nach Pflichterfüllung und Sicherung des Thronerben nach langer Zeit zuerst einen weiteren, und dann schon nach zwei Korallenringen noch einmal einen dritten Nachkommen zu zeugen? Selbst Onkel Turéor, der geduldete alte Mann, hatte sich überrascht gezeigt und die beiden Jungfischlein, wie die ganz kleinen Nauraka häufig genannt wurden, besonders gern unter seine Armhäute genommen.
    »Du bist verrückt mit deinen Träumen, Eri, werde lieber erwachsen«, riet Luri, die jüngere Schwester. »Ich will auch hier weg, aber ich werde dabei nicht unvernünftig sein oder gar meinen hohen Stand aufgeben.« Sie schwamm auf und drehte sich um die eigene Achse. »Und, wie sehe ich aus?«
    »Wunderschön, was sonst«, grummelte Eri. Manchmal fragte er sich, wer von ihnen beiden eigentlich das Sagen hatte. Dabei war er der ältere und der Mann. »Denk dran, o Vernünftige, nach Einbruch des Dunkeldämmers zurück zu sein, wir müssen heute mit Nura und Nàru, Mutter und Vater speisen.«
    Sie streckte ihm ganz unerwachsen die Zunge heraus und schwamm hinaus.

    Eri wusste nicht recht, was er mit der Zeit bis zum Essen anfangen sollte. Dann entschied er sich, Lurions Auftreten sozusagen zu strafen. Gewiss, Eri war erst neunzehn Korallenringe alt, aber es wurde Zeit, dem älteren Bruder die Grenzen zu zeigen. Er legte seinen Waffengürtel mit dem Jugendmesser an und paddelte eilig zur Jägergilde hinüber. Schon früh hatte der Prinz den Umgang mit Waffen erlernen müssen, und sein Vater sah es gern, wenn er sich an der Jagd beteiligte. Einer der wenigen Momente, da Ragdur den jüngeren Sohn überhaupt wahrnahm und ihn zudem nicht strafend oder verächtlich anblickte.
    Lurions Blick allerdings war voller Dunkelheit, als er seinen Bruder eintreffen sah. Die Gesellschaft war bereits zur Jagd gerüstet und wartete auf das Signal, auch die Treiber mit ihren Netzen hatten sich versammelt. »Was willst du denn hier?«
    »Ich komme mit«, erklärte Eri. »Urwig, gib mir eine Armbrust.« Zum Speerwerfen oder Lanzeführen war er noch nicht stark genug, dafür musste sein Körper erst ausgewachsen sein. Ebenso verhielt es sich mit dem Schwert, das ausschließlich im Nahkampf gegen einen großen Räuber eingesetzt wurde. Aber die Armbrust in der Hand eines Schützen, der gut zielen konnte, war eine tödliche, fast unschlagbare Waffe.
    Als der Erbprinz merkte, dass die Jäger nichts gegen Eris Teilnahme unternehmen würden, fügte er sich notgedrungen. Natürlich wagte auch er es nicht, sich gegen ihren Vater aufzulehnen und seinem jüngeren Bruder die Jagd zu verweigern.
    Darauf hatte Eri es angelegt; niemand ergriff für einen der Prinzen Partei, sie wurden genau gleich behandelt. Und er fühlte sich versöhnt, als Lurion ihm einen finsteren Blick zuwarf. Nun war der Ausgleich geschaffen, und der Spaß konnte beginnen.
    Sie machten sich auf den Weg zu den Seeschwärmer-Gründen, am rechten Rand der Stadt gelegen, zum Vulkan hin. Die normalerweise sehr wilden Raubfische wurden von Hand aufgezogen und blieben dadurch dem Revier treu, in dem sie aufgewachsen waren. Sie ordneten sich den Nauraka unter und lebten miteinander im Verband. In Freiheit dagegen waren sie Einzelgänger, die von nahezu allen Meeresbewohnern gefürchtet wurden – mit Ausnahme derjenigen, die zu groß waren, um sich durch den Biss ihrer messerscharfen, dreigezackten Zähne auch nur gestört fühlen zu müssen.
    Eri hatte als kleiner Junge davon geträumt, eines Tages derjenige zu sein, der die winzigen Fischchen aus dem Maul des Vaters stahl und in Sicherheit brachte, bevor er zerfetzt würde. Eine
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