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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe
Autoren: Uschi Zietsch
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aus feinsten Goldkelpfasern mit hohem Kragen. Lurion war dazu mit Armreifen behängt, trug kostbare Ringe an den Fingern, und seine wohlgeformten abgerundeten Ohren waren vielfach mit  Korallenschmuck durchbohrt. Eris Bruder war sehr viel größer als er und trotz seiner Zechgelage und Ausschweifungen muskulös. Die Ringe drückten an Eris Kehle, als Lurion ihn festhielt.
    »Vergiss eines nicht, kleiner Bruder«, zischte er, » ich bin der Erbprinz, und du nur eine wertlose Nachgeburt!«
    »Du und dein Thron seid mir doch völlig egal«, erwiderte Eri und riss sich mit einem heftigen Ruck los. »Ich bin sowieso bald weg, und dann kannst du in Ruhe noch drei oder vier Korallenbäume warten, bis Vater endlich die Fürstenkrone an dich abgibt.«
    »Meinen Segen hast du«, knurrte Lurion. »Ich werde dir sogar noch Golddrachen mitgeben, damit du auch ja nicht wieder zurückkommst!«
    Eri fragte sich, woher sein Bruder so viel Geld nehmen wollte, er verspielte doch alles und hatte hohe Schulden. Er hatte natürlich schon versucht, den Meister der Vulkanschmiede, wo das Gold gepresst wurde, zu bestechen, aber vergeblich. Das wäre selbst für den Hochfürsten unmöglich.
    Lurion wandte sich ab und schwamm zum Quartier der Jäger hinüber, um sich auf die Jagd im Mittlicht vorzubereiten – seine zweitliebste Beschäftigung neben dem Glücksspiel.
    Eri entschied sich, nicht mehr zum Tangwald zu schwimmen, und bewegte sich träge auf den außen gelegenen Bereich des Palastes zu, den er mit seiner Schwester Luri bewohnte. In unmittelbarer Nähe der Eltern durften die Nachkommen nicht leben. 
    Die Stadt war groß und alt, und nicht einmal Eri, der überall neugierig hindurchschlüpfte, kannte sie bis in den letzten Winkel. Ein Teil von ihr ruhte im Vulkangestein, Überhänge waren als Schutz genommen und mit verschiedenen Baumaterialien erweitert worden: natürlichen wie den Korallen, aber auch künstlichen, von Hand gefertigten, größtenteils mit geschmolzenem Quarzsand gemauerten und kunstvoll geformten Felsen. Etwa fünftausend Nauraka lebten hier, früher mochten es viel mehr gewesen sein. Somit war genügend Platz für die Familien vorhanden. Sie bewohnten oft sechs bis acht Kammern, die sich über mehrere Stockwerke erstreckten und über Galerien miteinander verbunden waren. Ein dichtes Netz aus Zugängen flocht sich durch die Stadt, bis tief in die Dunkelheit des Vater-Vulkans. Seine Ableiter verzweigten sich weit über den Meeresboden, Schlote, die heißes Wasser und schwarzen fettigen Qualm ausstießen, manchmal auch Feuerfontänen. Den großen, sehr alten Vulkan nannten alle »Vater«, denn er bescherte der Sippe ein reiches und sorgenfreies Leben. Und wie ein strenger Vater grummelte er ab und zu, dass alles bebte, oder zeigte sich gütig mit milder Wärme.
    Innerhalb der Stadt gab es auch während des Dunkeldämmers immer Licht, denn leuchtend blaue Kristalladern zogen sich durch Felswände, und an den Korallengeflechten hingen bunt strahlende Blumentiere, ein prachtvoller Schmuck noch dazu.
    Der Palast des Hochfürsten thronte über allem, ein prächtiges Gebilde, ganz mit Geschmeide ausgekleidet, das weithin in die See strahlte. Wie ein Stern, hatte ein Händler einmal zu Eri gesagt, und seine Augen hatten dabei geleuchtet.
    Auch die Augen anderer Händler hatten bei dieser Pracht durchaus hin und wieder geleuchtet, aber in ihnen hatte Gier gelegen. Die Nauraka lehrten sie schnell Demut, und Unverbesserlichen gegenüber zeigten sie sich ebenso unnachgiebig.
    In diesem Palast gab es viele Bereiche, die nur über Hauptgänge miteinander verbunden waren und für sich abgeriegelt werden konnten. Das fürstliche Paar bewohnte natürlich den größten Bereich mit dem zentralen Versammlungsplatz, und den rundherum angeordneten weiten Fluchten an Gemächern, Schatzkammern und geheimnisvollen Höhlen im Berg, die Eri noch nie auskundschaften durfte.
    Doch es gab auch so genug zu entdecken, also war Eri mit dem Abenteuer der See vor der Stadt zufrieden. Er wollte so viel wie möglich lernen und sich stählen, für sein großes Vorhaben.
    Luri war gerade dabei, sich anzukleiden, als ihr Bruder durch den Bogengang hereinschwamm. Sie wohnten im äußeren Bereich des Palastes in einem Korallengeflecht mit vielen Öffnungen, verspielten Labyrinthgängen und allem, was ein junges Herz begehrte. Hier war es unbeschwert, luftig und hell. Nach den wuchtigen königlichen Gemächern verlangte es die beiden gar nicht. 
    Draußen
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