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Nauraka - Volk der Tiefe

Nauraka - Volk der Tiefe

Titel: Nauraka - Volk der Tiefe
Autoren: Uschi Zietsch
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Lurdèa! Du und ich, gemeinsam. Und es ist das Letzte, was mir bleibt. Du aber wirst der Beginn sein, Schwester. Und ihr, Nauraka von Darystis und Karund und allen anderen Reichen, besinnt euch endlich und folgt Lurdèa, denn sie kennt den Weg! Darauf vertraue ich.« 
    »Eri!«, rief Lurdèa. »Gib nicht auf!«
    »Es ist gut«, flossen seine letzten Worte zu ihr, nicht mehr als ein versiegendes Flüstern. Er lächelte. »Am Ende habe ich doch noch erfahren, was Liebe ist, und der Drache findet seinen Frieden, und so soll es enden.«
    Dann brach sein Blick, und seine Kiemen schlossen sich für immer.

    Der Drache bäumte sich ein letztes Mal auf, packte den erschlafften, langsam nach unten sinkenden Leichnam Erenwins behutsam mit einem langen Fühler und nahm ihn mit sich in die Tiefe. 
    Kurz darauf war die See an dieser Stelle still und verlassen. Eine Lücke hatte sich aufgetan, die sich nicht so schnell schließen konnte.
    Doch das brauchte sie auch gar nicht – sie hatten Zeit.

    Alle Soldaten und Kämpfer, egal von welcher Seite oder welchem Volk, legten die Waffen nieder. Lurdèa, obwohl zerrissen vor Schmerz, hielt ohne Verzögerung eine Ansprache, in der sie von Frieden und Wiederaufbau sprach, und zwar nicht nur von Darystis, sondern auch Karund, und sie dankte allen anderen Völkern für ihren Willen zum Frieden. Sie ließ ihre Mutter Ymde kommen, und alle neigten die Häupter, als die Hochfürstin ihren Segen erteilte und den bedingungslosen Frieden erklärte. Dann zogen die meisten ab.
    Die Nauraka suchten lange nach Erenwin, doch der Leichnam des Prinzen blieb verschwunden. Dullo kehrte von der Suche nicht mehr zurück. Nach dem Tod seines Herrn gab es für ihn keinen Grund mehr zu verweilen, und er zog in die Weite der See davon.
    »Mein Bruder ist nicht tot«, erklärte Lurdèa und blieb dabei. »Was hat er uns gelehrt? Vertrauen! Das müssen wir beherzigen, und darauf bauen wir unser Reich neu auf. In Hoffnung und Glauben. Das war es, was Turéor uns immer klarmachen wollte. Und dieses Vertrauen wird uns auch die Liebe und Achtung zurückgeben.«

20.
Das Letzte, was bleibt

    Obwohl nicht offiziell verkündet, wurde Erenwins letzter Wunsch respektiert und Lurdèa als neue Hochfürstin anerkannt. Die Nauraka waren froh, eine starke führende Hand in diesen dunklen Stunden zu haben, die ihnen zugleich Trost und Zuversicht spendete und sofort an die Arbeit ging. Als Erstes machte Lurdèa sich in das Gebiet der Verbannten auf, holte sie persönlich ab, begnadigte alle, egal was sie getan haben mochten, und bat sie um Mithilfe beim Wiederaufbau. Wer nicht bleiben wollte, konnte ungehindert seiner Wege ziehen.
    Doch sie blieben alle, wollten Anteil haben an ihrer neuen Heimat und wiedergewonnenen Freiheit. Nachdem sie so lange gebüßt hatten, wollten sie zaghaft an einen Neuanfang glauben.
    Aber die Nauraka blieben nicht unter sich und allein, von überall her traf Unterstützung der anderen Seevölker ein, allen voran den Nices, beauftragt von Luleemi, der Tochter des Grafen von Undar.  Sie brachten Nahrung und Baustoffe, Heilmittel und Kleidung. Darystis würde bald wieder so hell erstrahlen wie früher.
    Lurdèa war unermüdlich im Einsatz und ruhte kaum. Das half ihr, nicht ständig an den bitteren Verlust denken zu müssen. In den wenigen Stunden, wenn sie sich doch einmal Schlaf gönnen musste, weinte sie um Erenwin, aber auch alle anderen, die sie verloren hatte, und verfluchte den Schmerz der Gram. Doch sie würde das Vergangene nie wieder verdrängen oder gar vergessen. Sie hatte es Erenwin versprochen: Sie würde lernen, damit zu leben. Es war die stabile Basis ihres neu gewonnenen Vertrauens. Jedes Erlebnis, jeder Kummer, aber auch jedes glückliche Ereignis hatte dazu beigetragen, sie zu der Frau zu machen, die sie heute war. Sie brauchte das Wissen dieser Erfahrungen, um ein Reich zu regieren und die Verantwortung dafür zu tragen. Und letztendlich war alles ein Teil von ihr, genau wie Berenvil, an den sie bittersüß zurückdachte. Trotz allem, was er getan hatte, vermochte sie nicht, ihn zu hassen. Er war der grausame und zerstörerische Alte Feind gewesen, aber auch ihr aufmerksamer Gemahl, mit dem sie zusammen gelacht und mehr als zwanzig Jahre lang das Leben geteilt hatte. An dieses Leben erinnerte sie sich noch sehr genau und würde es immer tun, ohne es zu verdammen.
    Seine drei Söhne vermisste sie zu ihrem eigenen Erstaunen nicht, fühlte sich von ihrem Tod nicht im Geringsten
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