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Nathaniels Seele

Titel: Nathaniels Seele
Autoren: Britta Strauß
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gibt’s Wölfe. Bären. All diese Scheiße. Vorhin habe ich ein paar heulen gehört. Wir sollten … autsch!“
    Ian brachte Barry mit einem Fußtritt zum Schweigen. Geduckt schlichen die Männer durch das Unterholz, einen derartigen Lärm veranstaltend, dass jeder echte Hirsch längst über alle Berge gewesen wäre. Der Geruch von Angst breitete sich aus und ließ Nathaniel verächtlich schnaufen. Was für Jäger. Ohne Gewehre mit Zielhilfen, Nachtsichtgeräten und all der anderen Technik wären sie hilflos wie Maden. Vielleicht sollte er sie hypnotisieren und mitten in eine Büffeljagd seiner Erinnerung katapultieren. Um anschließend genüsslich zuzusehen, wie sich diese tapferen Männer vor Angst in die Hosen machten. Aufgewirbelter Staub, der das Atmen fast unmöglich machte und in den Augen brannte. Erde, die unter Tausenden von Hufen bebte, als reiße es sie in ihren Grundfesten auseinander. Gewaltige Tiere, entfesselt und furchtlos, in unvorstellbarer Zahl. Lebende Fleischberge, die nicht zögerten, ihre Hörner in die Leiber ihrer Feinde zu stoßen. Als Waffen nur Pfeil und Bogen, vielleicht eine Lanze. Und ein ungesatteltes Pferd, das auf den kleinsten Schenkeldruck reagierte.
    Nathaniel erinnerte sich an eine Jagd, während der mehr Absarokee als Büffel ihre Leben gelassen hatten. Er wusste, wie es sich anfühlte, inmitten einer Stampede vom Pferd zu stürzen und sich zusammenzurollen, in der Hoffnung, von dieser ungeheuren Macht nicht zu Brei zertrampelt zu werden. Er kannte das Kochen des Blutes, das den Verstand schärfte, wenn man nur mit einem Messer bewaffnet einem Bären gegenüberstand, der aufgerichtet doppelt so groß war wie man selbst. Oder wie es war, nach tagelanger Verfolgung durch tiefen Schnee, getrieben von Hunger und Verzweiflung, endlich ein Tier zu erlegen und sein rohes, warmes Fleisch den vor Leere schmerzenden Magen füllen zu lassen.
    Nichts davon konnten diese Männer dort draußen nachempfinden. Weder den Stolz, sich in einem ebenbürtigen Kampf bewährt zu haben noch die Dankbarkeit, die man einem Geschöpf entgegenbrachte, dessen Tod die ausgehungerte Familie ernährte.
    Nathaniel zog das Fläschchen aus dem Lederbeutelchen, das er an seinem Gürtel trug, ließ sich fallen und landete fünf Meter tiefer auf dem Waldboden. Seine aus schwarz gefärbtem Wildleder genähten Mokassins trugen ihn lautlos. Er huschte über die Lichtung, entleerte das Fläschchen in die Kaffeekanne, die über dem Feuer hing, und verschwand so schnell im Dunkeln, wie er daraus aufgetaucht war. Erneut nahm er einen Platz hoch oben in einem Baum ein, um das weitere Geschehen zu überblicken.
    Es währte nicht lange, bis die drei Jäger lauthals murrend von ihrem Ausflug zurückkehrten. Ian fluchte, Malcolm und Barry bestätigten ihn in allem, was er von sich gab.
    „Morgen“, schnauzte der Anführer und pfefferte sein Gewehr auf einen der Schlafsäcke. „Morgen gehört er uns. Wir suchen seine Spuren, sobald es hell wird. Ich gehe nicht ohne den Kopf eines Weißen.“
    Die Männer setzten sich ans Feuer und kompensierten ihre Enttäuschung mit Selbstbeweihräucherung und hemmungslosem Kaffeekonsum. Innerhalb einer geschätzten Viertelstunde war die Kanne geleert. Nathaniel erging sich in Schadenfreude. Die Stechapfelessenz, die er für sein Spielchen ausgesucht hatte, wurde normalerweise im Rahmen von Ritualen genutzt, um das Bewusstsein zu erweitern und Visionen herbeizuführen. Was das Halluzinogen in den Köpfen dieser Männer anrichten würde, konnte er nur mutmaßen. Spannend war es allemal. Es währte keine zehn Minuten, bis die erste Wirkung einsetzte. Malcolm und Barry starrten mit glasigem Blick ins Leere, während Ian seine frisch entzündete Zigarette beäugte, als könne er sich ihreExistenz nicht erklären. Nathaniel half der Wirkung der Droge nach und pflanzte Ian die Illusion einer Waldklapperschlange in den Kopf.
    „Fuck!“ Der Mann schleuderte die Zigarette von sich. Er stürzte sich auf sein Gewehr, fiel nach hinten, rappelte sich auf und feuerte einen Schuss ab, der ihn erneut umwarf. „Fuck! Fuck! Fuck!“
    „Was’n jetzt los?“ Barrys Stimme erinnerte an eine leiernde Kassette. „Das war ’ne Zigarette, Mann. Ist doch keine Art, so mit der umzugehen.“
    „Schlange“, keuchte Ian.
    „Wo?“
    „Da. Im Gebüsch. Sie war … auf meinem Arm. Fuck!“
    „Schwachsinn. Ne Schlange auf dem Arm.“ Malcolm nahm sich der Angelegenheit an und torkelte zum Gebüsch. Er hielt die
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