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Nasses Grab

Nasses Grab

Titel: Nasses Grab
Autoren: Helena Reich
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Tat. Die Katze und der heiße Brei. Ich verbrenne mir nicht gern das Maul, Herr Kommissar.«
    »Es wird Ihnen nichts anderes übrig bleiben«, sagte Anděl lächelnd.
    Krasnohorský sah ihn ernst an. »Okay, Sie haben gewonnen. Sie wollen wissen, was ich gesehen habe? Gut. Ich sah eine Frau auf dem Boden liegen. In einem roten Abendkleid auf einem weißen Teppich. Sie sah aus wie eine einzige riesengroße Blutlache. Ich lief zu ihr, da sah ich ihr Gesicht. Kein Gesicht. Eine Masse aus Fleisch und Knochen – es war grässlich.«
    »Haben Sie die Frau erkannt?«
    »Erkannt? Da gab es nichts zu erkennen, Herr Kommissar. Sie lag in Danas Wohnung, trug Danas Kleid, hatte Danas dunkles langes Haar – wer außer Dana hätte es sonst sein sollen?«
    »Nun, es gibt mehr Merkmale als allein das Gesicht, um jemanden zu erkennen.«
    »Ich dachte, es sei Dana. Venca hatte angerufen und gesagt, er habe mit Dana gestritten und dann habe es einen Unfall gegeben. Was hätte ich sonst denken sollen?« Er atmete tief ein und wieder aus. Die Erinnerung an jenen Abend wühlte ihn auf. »Ich stand unter Schock, es war dunkel – ich hatte keine Lampen angemacht. Es fiel nur etwas Licht von der Straßenbeleuchtung in das Zimmer. Und dann stand schon die Nachbarin neben mir. Es war Dana, die dort lag.«
    »Nein, sie war es nicht«, sagte Anděl, »und das wissen Sie so gut wie ich. Es war Lenka Svobodová, Ihre Frau.«
    »Nein!«, schrie Krasnohorský und lehnte sich im Bett auf. Er starrte Anděl an, Entsetzen, Verzweiflung, Wut und unendlichen Schmerz im schönen, alterslosen Gesicht. Das EKG über seinem Kopf piepste aufgeregt. »Nein«, flüsterte er und sank mit geschlossenen Augen zurück auf das Kissen. »Nein.«
    »Sie können nicht mehr davor fliehen, Krasnohorský. Blicken Sie der Wahrheit endlich ins Gesicht! Vielleicht haben Sie die Frau nicht gleich erkannt, aber spätestens, als Sie sie in die Metro gebracht hatten und mit der Mumifizierung der Leiche begannen, muss Ihnen klar gewesen sein, wen Sie da vor sich hatten.«
    Krasnohorský stöhnte, als füge Anděl ihm körperliche Schmerzen zu. »Hören Sie auf! Verdammt, hören Sie auf damit! Ich … ich kann das nicht … nicht noch einmal – bitte!« Er öffnete die Augen und sah Anděl an. Verzweiflung und Schuld sprachen aus seinem Blick.
    Anděl schwieg. Krasnohorský kämpfte mit sich und seiner schrecklichen Erinnerung.
    »Es ist wie ein Alb, der mich nachts noch immer aufsucht. Ich werde die Bilder nicht los. – Ja, Sie haben recht. In der Metro, als ich sie ausgezogen hatte und sie auf der Bahre in diesem unterirdischen OP lag, da habe ich … da habe ich sie erkannt.« Tränen rannen ihm über das Gesicht, als er leise weitersprach. »Ich habe meine Frau erkannt. Nicht nur an ihrem Leberfleck an der Hand … Es war alles, alles an diesem Körper – es war nicht zu übersehen. Gott, ich habe sie so sehr geliebt, und dann lag sie da vor mir – nackt, tot, erschlagen. Und ich sollte sie … sollte sie ausweiden wie ein totes Tier. Ich wollte weglaufen, aber dann hätte man sie gefunden, und der Oberst hätte sie erkannt – und ich … Er hätte mich eigenhändig umgebracht. Ich musste weitermachen. Verlangen Sie nicht von mir, dass ich Ihnen erzähle, was ich mit ihr tun musste. Bitte. Ich war feige und egoistisch. Ihr konnte ich nicht mehr helfen, nur noch mir selbst. Das habe ich getan.« Er sah Anděl flehend an.
    »Schön. Sie wussten also, wen Sie in der Metro versteckt hatten. Das wäre nun geklärt. Wie ist es überhaupt zu diesem Abend gekommen? Lída Karafiátová hat uns erzählt, dass Lenka in den Westen wollte.«
    Krasnohorský nickte müde, dankbar für den Themenwechsel.
    »Und Dana? Wollte sie auch weg?«
    »Ja. Aber sie bekam keine Ausreisegenehmigung. Der Oberst hat das verhindert. Er wollte auf keinen Fall, dass Venca sie doch noch überredet, ihn zu heiraten.«
    »Warum eigentlich nicht?«, fragte Anděl. Es musste doch irgendeinen Grund haben, warum der Oberst mit allen Mitteln versucht hatte, Dana von seinem Sohn fernzuhalten.
    Krasnohorský seufzte. »Ich weiß es nicht genau. Er hielt sie für nicht ganz koscher. Lenka sagte einmal, es habe etwas mit einem Unfall zu tun.«
    »Was für ein Unfall?«
    »Lassen Sie es gut sein, Herr Kommissar, sie sind alle tot.«
    »Was für ein Unfall?«, wiederholte Anděl geduldig seine Frage.
    »Na schön. Sie waren mal in den Ferien beim Kanufahren gewesen, und einer aus der Gruppe ist nachts eine
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