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Narrentod

Titel: Narrentod
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Übrigens, wie wurde er eigentlich ermordet ?«
    »Er wurde erschlagen. Mit dem Schyt.«
    »Shit !« , rutscht es mir heraus. »Mit dem eigenen Schyt?«
    Ich fass es nicht. Das Schyt ist ein hölzerner Schlagstock und stellt eine der beiden Waffen dar, mit denen sich der Fulehung Respekt verschafft. Die andere besteht aus einem Strauß Schweineblasen, den Söiplatere, die wie lachsfarbene Luftballons mit Schnüren verknotet an einem armlangen Holzstecken baumeln.
    Ich erkundige mich weiter: »Wann und wo ist es passiert ?«
    Der Stapi wischt sich erst mit einem grün karierten Nastuch über die schweißnasse Stirn und schüttelt anschließend wortlos den Kopf. Nach einer kurzen Pause erst gibt er Auskunft.
    »Gefunden hat man ihn kurz nach 16 Uhr, oben in der alten Schlossbergschule .«
    »Aha. Dort hat sich doch die Handelsmittelschule eingemietet .«
    Da ich in Thun selbst mal als Lehrer gearbeitet habe, kenne ich mich im hiesigen Schulwesen einigermaßen aus. Ich habe meiner pädagogischen Berufung als Deutsch- und Geschichtslehrer an der Oberstufenschule Progymatte, in der Bevölkerung kurz als Progy oder Prögu bezeichnet, während Jahren mit vielen guten Absichten und einigen negativen Einsichten nachgelebt.
    »Eingemietet ?« , wiederholt Rolf von Siebenthal. »Stimmt. Die HMS . Warum?«
    »Was hat ein Narr in der HMS verloren ?«
    »Ach so. Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. In der Schule wird neuerdings sein Kostüm aufbewahrt. Darum zieht er sich jeweils auf dem Schlossberg um. Es gibt im Keller einen separaten Garderobenraum«, erklärt Rüfe.
    »Hm. Dennoch merkwürdig. Gehört die ganze Ausrüstung nicht dem Kadettenverein ?«
    »Doch. Wieso ?« , fragt der Stapi.
    »Nun, der Verein pflegt seine engsten Kontakte eher mit dem Progy als mit der HMS . Warum werden die ganzen Heiligtümer dann nicht dort verwahrt ?« , wundere ich mich.
    »Keine Ahnung. Vielleicht weil der Aktionsradius des Fulehung s auf die Altstadt beschränkt ist. Er wird froh sein, im Schulhaus oben seinen Ausgangspunkt gefunden zu haben«, vermutet Rüfe. »Zudem war das Progy früher in der Schlossbergschule beheimatet .«
    Meine Blicke schweifen aus dem Fenster, über die Altstadtdächer und verlieren sich im Wellenspiel der Aare. Dann wende ich mich wieder dem Stadtpräsidenten zu.
    »Wer hat Zugang zum Gebäude ?«
    »Wie alle Schulhäuser auf Gemeindeboden sind die Anlagen quasi halb öffentlich und können während der Unterrichtszeiten mehr oder weniger frei betreten werden .«
    »Aha. Das erklärt vermutlich das rätselhafte Verschwinden von diversen Laptops und mobilen Beamern .«
    »Ja, hör mal, Hanspudi. Wo kämen wir hin, wenn wir vor allen Schulhäusern einen Sicherheitsdienst aufzögen ?«
    »Dem Fulehung hätt’s jedenfalls geholfen .«
    Rolf von Siebenthal setzt sich, atmet zwei-, dreimal tief ein und aus und brummt: »Nachher ist man bekanntlich immer klüger .«
    Ich nicke bloß. »Gut, dann werde ich mir mal die Schüler- und Lehrerlisten der HMS sowie die Personalien des Putzpersonals besorgen .«
    »Ja, aber beeil dich. Es wäre gut, wenn du die Täterschaft so rasch als möglich klären könntest .«
    »Was heißt das ?«
    »Möglichst noch vor dem nächsten Auftritt«, antwortet Rüfe.
    »Auftritt von wem? Vom Mörder?«
    »Auch. Aber vor allem von unserem verblichenen Spaßmacher.«
    »Dieser Auftritt dürfte soeben vor dem heiligen Petrus stattgefunden haben«, wende ich ein.
    »Morgen Vormittag soll der Fulehung traditionsgemäß den Schlussumzug durch die Innenstadt anführen .«
    »Und wie soll er das anstellen? Im motorisierten Sarg?«
    »Quatsch. Ich habe natürlich einen Ersatzmann aufgeboten«, informiert der Stapi etwas unwirsch.
    »Aha. Wen?«
    »Fabian Eichenberger.«
    »Den Sportlehrer?«
    »Genau. Kennst du ihn? Er unterrichtet am Progy«, sagt Rolf von Siebenthal.
    »Ja, klar. Wie kommst du gerade auf ihn ?«
    »Warum nicht? Die Stadt arbeitet seit Jahren mit einer Doppelbesetzung. Es könnte immer mal einer krankheitshalber ausfallen. Ein Ausschiesset ohne Fulehung ?«
    »Unmöglich«, stimme ich zu.
    »Eben. Darauf sind wir vorbereitet. Allerdings frage ich mich, ob Eichenberger in der momentanen Situation nicht ebenfalls gefährdet sein könnte .«
    »Du meinst, auch er könnte zum Opfer werden ?«
    »Ja, das ist denkbar. Wir haben Eichenbergers Leibgarde sicherheitshalber auf vier Mann erhöht. Zu den beiden jugendlichen Beschützern stoßen noch zwei Personenschutzprofis
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