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Narrentod

Titel: Narrentod
Autoren: Gmeiner-Verlag
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eine Sache?«
    »Hast du das schon vergessen ?« , wundert er sich.
    »Ich vergess in letzter Zeit alles. Das befreit«, entschuldige ich mich.
    »Da gab’s doch diese Skilagergeschichte. Weißt du’s wirklich nicht mehr ?«
    Weibel räuspert sich. Ich tu’s ihm nach.
    »Nein. Wirklich. Erzähl .«
    »Es wurde doch gemunkelt, dass sich Beat Dummermuth und Lilo im Skilager an der Lenk ziemlich nahegekommen sein sollen .«
    »Hm, stimmt. Jetzt wo du’s sagst. Möglich, dass da was war. Aber es konnte nie bewiesen werden, oder ?«
    »Natürlich nicht, sonst wäre sie wohl kaum Rektorin geworden .«
    »Und Beat ?« , frage ich.
    »Der schweigt bis heute wie ein Grab .«
    »Da hast du allerdings recht«, stimme ich ihm zu, in möglichst neutralem Tonfall, und stelle sofort die nächste Frage: »War er …, eh, ist er verheiratet ?«
    »Verwitwet. Seine Frau ist vor zwei Jahren an Brustkrebs gestorben .«
    »Ein Pechvogel.«
    »Sie oder er ?« , fragt Weibel verwundert.
    »Eigentlich beide.« Ich überlege kurz. Was wollte ich noch fragen? »Hm. Und was hast du gesagt, arbeitet er ?«
    »Informatiker. Selbstständig. Seine Bude hat beispielsweise unserem Kadettenkorps die Homepage eingerichtet, betreut dem Progy die Computer und beliefert das Schulsekretariat mit der neusten Verwaltungssoftware .«
    »Aha. Wusste ich gar nicht. Dann pflegt er ganz offensichtlich noch immer spezielle Kontakte zum Rektorat .«
    »Pass auf mit solchen Anspielungen, Hanspudi. Dummermuth ist nicht halb so dumm, wie sein Name vermuten lässt. Jetzt muss ich aber .«
    »Danke, Fredu. Du hast mir sehr geholfen .«
    Das Gespräch hat mich ein weiteres Augenbrauenhaar gekostet. Ich sehe es auf dem Handy liegen, ergreife den Apparat, hebe ihn an die Lippen und blase das Härchen liebevoll vom Display. Dann wähle ich die Nummer vom Frosch und vereinbare einen Gedankenaustausch mit meinem Assistenten, um 21 Uhr auf dem Mühleplatz.

9

     
    Ich schiele auf meine Armbanduhr.
    Kurz nach sechs. Um 19.30 Uhr treffe ich mich mit der Rektorin im Schlosshof. Um 21 Uhr dann mit Jürg Lüthi. Ich habe also noch Zeit, im Internet den Jahresbericht der Handelsmittelschule durchzusehen. Darin werden nach dem Bericht des Schulleiters interdisziplinäre Projektarbeiten unter dem Kürzel IDPA vorgestellt. Ein Titel sticht mir besonders in die Augen: Die Bedeutung des Ausschiessets für den Berner Oberländer Tourismus. Ob ich darin Hinweise auf mögliche Tatmotive fände?
    Sportanlässe werden mit den Fotos der Sieger dokumentiert, Berichte von Betriebspraktika werden veröffentlicht, über fächerübergreifende Veranstaltungen wie Schultheater und Projektwochen wird berichtet, und abschließend wird das Schuljahr in nackten Zahlen zusammengefasst. Mit einem weiteren Klick bin ich auf dem Link des Kollegiums. Jede Lehrkraft erscheint mit Namen und Porträtfoto. Es überrascht die Vielfalt der Typen. Ein bunter Haufen als repräsentativer Querschnitt durch das bernische Bildungsbürgertum?
    Es sind erwartungsgemäß auch ein paar typische Lehrerköpfe darunter, mit obligater Brille, strenger Mimik, eigenwilliger Frisur und gewöhnungsbedürftigem Outfit. Aber es gibt Gesichter, denen man spontan nie und nimmer den Beruf eines Mittelschullehrers zuordnen würde: lustige Clowns, kühle Schönheiten, düstere Bösewichte, verschmitzte Lausbuben. Das wirkt erfrischend.
    Ich gehe die Liste des Lehrkörpers durch, ohne dass ein Name meine besondere Aufmerksamkeit wecken würde. Auch die Schülerlisten bringen mich nicht weiter. Ich wechsle darum zur Homepage der Kadetten. Nicht schlecht gemacht, die Seite. Schade um Beat Dummermuth. Er war offenbar ein brauchbarer Informatiker.
    Ganz zuoberst steht der Name des diesjährigen Kadettenhauptmanns: Melanie Eichenberger. Ihr Porträt, kobaltblaue Uniform, Béret, weiß-rote Schärpe und weiße Baumwollhandschuhe. Es fällt auf: Am diesjährigen Ausschiesset scheinen vom Fulehung bis zum Leichenbeschauer alle weiße Handschuhe zu tragen. Zugegeben: Melanie steht ihre Verkleidung nicht schlecht. Ihr Porträt wirkt wie die personifizierte Ja-Parole zur Einführung von Schuluniformen. Der nabelfreie Schlampenlook, den sie sonst favorisiert, steht ihr nämlich definitiv nicht. Herausragende sportliche und schulische Leistungen seien, neben Führungsqualitäten, Voraussetzung für die Charge des Kadettenhauptmanns, heißt es da. Hat sie die mollige Schülerin tatsächlich erfüllt? Auch die sportlichen?
    Anschließend wird auf
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