Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Narr

Narr

Titel: Narr
Autoren: Schilddorfer und Weiss
Vom Netzwerk:
nochmals stärker geworden, erfüllte den Kellerraum bis in den letzten Winkel und machte das Atmen schwer.
    »Das kann keinesfalls der Adlon-Bunker sein, der 1943 gebaut wurde«, stellte Wolle fest, versuchte die Luft anzuhalten und rollte das Seil wieder ein. »Der ist südlich des Hotels, unter dem Pariser Platz. Wir sind eher in Richtung der russischen Botschaft unterwegs. Da liegt aber kein großer Kanal, der den Gestank erklären würde, soweit ich mich erinnere.«
    »Ich hoffe nicht, dass es das ist, was ich glaube«, meinte Marzin kryptisch, nickte Wolle zu und gemeinsam stemmten sich die beiden Männer gegen die schwere Tür, die anfangs nur widerstrebend und knirschend Zentimeter für Zentimeter nachgab. Dann allerdings, einmal in Schwung gekommen, drehte sie sich lautlos weiter bis zum Anschlag.
    Die Lichtkegel der Stirnlampen verloren sich in der Dunkelheit, der Raum musste enorm sein, viel größer als das Kellerabteil, in dem sie standen. Als die beiden Männer den Blick senkten und das Licht nach unten schwenkte, begann der Albtraum.
    Grinzing, Wien/Österreich
    D er schwarze Mercedes hielt genau vor ihrem Haus und Ministerin Panosch war dankbar für die zusätzliche Straßenlaterne, die von der Stadt vor einigen Monaten aufgestellt worden war. Ihr gelblicher Schein hatte etwas Tröstliches an sich. Der Schreiberweg war menschenleer um diese Zeit. Der Chauffeur war ausgestiegen und öffnete den Schlag, neigte seinen Kopf und streckte die Hand aus, um Panosch zu helfen. Er war überrascht, wie schwer sich die junge Frau darauf stützte.
    »Ist Ihnen nicht gut, Frau Minister?«, fragte der Mann der Fahrbereitschaft und Panosch las die Sorge in seinen Augen.
    »Nein, alles in Ordnung, ich bin nur etwas müde und schwach auf den Beinen«, erwiderte sie zaghaft lächelnd. »Warten Sie bitte, bis ich im Haus bin, dann fahren Sie ruhig nach Hause. Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.«
    Der Chauffeur lächelte. »Die wünsche ich Ihnen auch.« Er schloss leise die Autotür und setzte sich wieder hinters Lenkrad, während Panosch das Gartentor aufschloss und die paar Stufen zum Eingang der kleinen Villa hinaufstieg.
    Sie fühlte sich elend, und während sie die Haustür aufschloss, war sie versucht, den Mann der Fahrbereitschaft doch noch zu einer Apotheke oder einem Arzt zu schicken, aber da rollte die Limousine bereits an und verschwand leise in der Nacht.
    Mit zittrigen Knien betrat Panosch den Flur, zog den Mantel aus und ließ ihre Handtasche fallen. Die Treppe in den ersten Stock, zum Bad und ihrem Schlafzimmer, erschien ihr so steil wie die Eigernordwand. Nach den ersten Stufen wurde ihr schwindlig, ein Schüttelfrost überkam sie und ihre Knie gaben endgültig nach.
    Mein Gott, was ist los mit mir?, dachte sie und versuchte sich am Treppengeländer festzuhalten. Aber ihre Hand hatte keine Kraft, ihre Finger rutschten ab und zugleich breitete sich ein Brennen in ihrem Unterkörper aus, das sie innerlich aufzufressen schien. Sie wollte schreien, aber es wurde nur ein Röcheln daraus, leise und gurgelnd. Dann rutschte sie Stufe für Stufe wieder zurück in den Flur.
    Die Tasche, mein Handy, ich muss Hilfe rufen, durchfuhr es sie, und trotz der Schmerzwellen, die sie an den Rand der Bewusstlosigkeit brachten, ließ sie der Gedanke nicht mehr los. Wieder rutschte sie eine Stufe tiefer, wie eine Gliederpuppe, der man nach und nach die Fäden durchtrennte. Die kleinen Lampen auf der Treppe schienen zu flackern, dunkler zu werden. Ein neuer glühender Strom von Lava begann ihren Körper von unten nach oben zu überschwemmen, kalter Schweiß brach ihr aus. Sie sah ihre Hände, die unkontrolliert zitterten, sich endlich um den Henkel ihrer Handtasche krampften.
    Dann begann sich ein Nebel in ihrem Hirn auszubreiten, der nach und nach alle Gedanken erstickte und das Denken unmöglich machte.
    Als ihr Herz aussetzte, streckte sich der Körper ein letztes Mal. Dann hörte alles Zittern auf.
    Der einsame nächtliche Spaziergänger, der von seinem Collie winselnd aus dem Schlaf gerissen worden war, hatte sich schnell eine kurze Hose und ein T-Shirt angezogen, bevor er schlecht gelaunt den Hund hinausließ und ihm mürrisch folgte.
    Mitten in der Nacht, dachte er sich und schaute dem Collie hinterher, der schnüffelnd den Schreiberweg entlanglief und nicht daran dachte, endlich sein Bein zu heben. Der Mann lehnte sich an das Gartentor seines Hauses und zündete sich eine Zigarette an, schaute den Rauchschwaden nach,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher