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Narr

Narr

Titel: Narr
Autoren: Schilddorfer und Weiss
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die sich himmelwärts kräuselten. Es ist so warm, man könnte direkt im Freien schlafen, durchfuhr es ihn. Vom Collie war weit und breit nichts mehr zu sehen und so machte sich der Mann seufzend auf den Weg, seinen Hund zu suchen.
    Plötzlich hörte er ein leises Winseln. Es kam aus einem Garten auf der linken Seite der Straße und so ging er hinüber, sah das halb offene Tor und seine Stimmung sank auf den Nullpunkt. »Auch das noch! In einem fremden Garten.« Der Mann stieß das Tor vorsichtig weiter auf, pfiff leise und hoffte, dass sein Hund auf ihn hören würde. Vergeblich. Der Collie stand wie gebannt vor einer Haustüre und winselte leise, die Ohren angelegt.
    »Jetzt komm schon her, Bernie«, stieß der Mann zwischen den Zähnen hervor, leise und eindringlich. Aber der Hund ließ sich nicht ablenken, starrte auf die Türe und winselte weiter. Den Hund, die Nacht und die Welt im Allgemeinen verfluchend drang der Mann in das fremde Grundstück vor, blickte sich um und stieg die Stufen hinauf, um nach seinem Hund zu greifen. Endlich schloss sich seine Hand um das Lederhalsband und er zog energisch, aber Bernie weigerte sich mitzukommen. Der Mann zog nochmals, überrascht über das ungewohnte Verhalten seines Hundes. Er stutzte kurz und dann siegte seine Neugier.
    Auf den Zehenspitzen stehend schaute er durch die Glasscheiben, die in den obersten Teil der alten, hölzernen Haustüre eingelassen waren. Ein einziger Blick genügte. Er sah die Handtasche auf dem Boden, die leblose weibliche Gestalt daneben und dann begann er fest und bestimmt gegen die Tür zu klopfen. Als sich die Frau nicht rührte und auch niemand anderer im Hausflur auftauchte, rannte er so schnell er konnte nach Hause und wählte den Notruf. Bernie blieb wie angewurzelt vor der Tür sitzen, wie ein stummer Wächter des Todes.
    Nussdorf ob der Traisen/Österreich
    B is die ersten Einsatzfahrzeuge auftauchten und rotierende Blaulichter den Weinbauort in eine ernüchternde und skurrile Lichtstimmung tauchten, versuchten Wagner und Sina die junge Frau zu beruhigen, die auf ihrem Heimweg vom Erntedankfest eine Abkürzung durch den Obstgarten genommen hatte und mit ihrer Schulter gegen die Füße der leicht im Wind schaukelnden Leiche gestoßen war. Als ihr Schreien nur mehr einem leisen Schluchzen gewichen war, wimmelte es in dem kleinen Bauernhaus und im Garten bereits von Polizeibeamten. Der eingetroffene Notarzt kümmerte sich schnell um die junge Frau, nachdem er festgestellt hatte, dass für den Erhängten jede Hilfe zu spät kam.
    Bald war der Tatort hell erleuchtet, Dieselaggregate der Feuerwehr lieferten Strom und verpesteten dafür die Luft. Wagner und Sina waren kurz vernommen worden, aber alle warteten auf das Eintreffen der Mordkommission aus St. Pölten.
    »Ich bin neugierig, wer heute Abend Dienst hat«, meinte der Reporter leise zu Sina und sah den Beamten der Spurensicherung zu, wie sie im Licht der Scheinwerfer den Garten durchsuchten. »Irgendwie glaube ich nicht daran, dass sie etwas finden.«
    Sina und er standen vor dem kleinen Bauernhaus auf der Straße, als ein grauer Kombi mit nur einem funktionierenden Scheinwerfer die Steigung heraufkeuchte und mit quietschenden Bremsen vor den beiden Männern zum Stehen kam. Wagner erwartete, dass wie in einem Stummfilm der Zwanzigerjahre einer der Kotflügel einfach abfallen würde. Der Peugeot hatte eindeutig bessere Zeiten gesehen, aber sie waren lange her. Auf den ersten Blick war schwer abzuschätzen, was überwog – die Rostflecken oder die Aufkleber, die hartnäckig versuchten, ihrerseits den Rost zu überdecken. Es war ein aussichtsloser und ungleicher Kampf.
    Der Mann, der schließlich ausstieg und auf sie zukam, sah verschlafen, zerknautscht und missmutig auf die beiden Männer.
    »Sie sind weit weg von Ihrem üblichen Revier, Wagner«, bellte er in einem Ton, der Missfallen und Misstrauen in Perfektion vereinte.
    »Kommissar Ruzicka, was für ein unvermutetes Vergnügen am frühen Morgen«, lächelte der Reporter, »was verschlägt Sie in die Niederungen der Provinz? Ich dachte, Sie sind so gut wie pensioniert und die Wiener Gauner atmen auf.«
    Kommissar Gerald Ruzicka war einer der fähigsten Kriminalbeamten Wiens. Bereits eine Legende zu Lebzeiten, war er im letzten Jahr vor seiner Pensionierung eingesprungen, als ein Kollege in St. Pölten bei einer Geiselrettung ums Leben gekommen war. So verbrachte er die letzten Monate seiner Dienstzeit in einer Stadt, die er seit
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