Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt
Autoren: Tanja Langer
Vom Netzwerk:
sein, meinem Freund, das hat sie mir selbst gesagt! Das ging ja auch viel länger mit den beiden, das war –
    Tja, sagte Heumann, sie hatte da wohl ein eigenes System mit der Treue. Mit manchen zu schlafen, war ungefährlich, mit anderen
     hingegen –
    Der Maler bedeutete ihr doch nicht mehr als Robert!
    Ich geriet in Aufregung, aber Heumann sprach unbeirrt weiter.
    – hatte sie offenbar Angst. Ich weiß nicht, wie viele Tage und Nächte sie es durchgehalten hat, mit einem
nicht
zu schlafen, und mit wem, ich weiß nur, dass sie so dachte. Sie war einfach neugierig. Zum Beispiel mit ihrem Pariser Freund,
     das hat sie mir erzählt, zwischen den beiden gab es wohl eine seltsame Nähe im Sex, der Typ war interessant, einer, der mit
     Männern und Frauen schlief –
    Aber mit dem war sie doch gar nicht mehr zusammen? Wieso weißt du das alles? Und Robert? Herr Gott noch mal, was für ein Bordell!
    Heumann kratzte sich an der Stirn. Er hatte rote Flecken auf der empfindlichen Haut. Er sah mich an und drehte den Bierdeckel
     in seinen Händen. Ich schwitzte.
    Sie –
    Er zögerte.
    Wir sitzen hier wie zwei alte Junggesellen –
    Lenk nicht ab! sagte ich. Ich klopfte mit meiner Zigarettenschachtel auf den Tisch. Ich war ungeduldig und entsetzlich |293| nervös, ich fühlte mich, als würde mich etwas aus meiner eigenen Haut zerren.
    Plötzlich drehte sich das Kaleidoskop, und die Geschichte, die ich mir selbst in all den Jahren zurechtgelegt hatte, wurde
     irgendwie brüchig. Ich hatte plötzlich keine Distanz mehr zu ihr; ich war schlagartig eifersüchtig.
    Warst du denn nie eifersüchtig? fragte Heumann prompt. Eva hat immer gesagt, du schluckst alles.
    Mein Gott, sagte ich. Ich kippte den Schnaps herunter, den die Bedienung gerade brachte. Ich schüttelte mich.
    Heumann legte ein paar blaue Schulhefte auf den Tisch.
    Was ist das denn? fragte ich. Meine Kehle wurde eng.
    Er blätterte eines der abgegriffenen Hefte vor meinen Augen durch.
    Woher hast du die?
    Ich erkannte sofort ihre Handschrift. Diese einmaligen, großen Buchstaben, die sich gegenseitig umarmten. Die kleinen Zeichnungen,
     die sie immerzu machte, die Skizzen, wenn wir ins Museum gingen. Mein Eindruck war so lebendig, als säße Eva selbst vor mir,
     als wären niemals zwanzig Jahre vergangen.
    Sie hat mir ein Paket dagelassen, sagte Heumann, bevor sie wegging. Sie hat gesagt, sie müsste alle Fäden zerschneiden, die
     sie mit hier verbanden. Mit dir, mit diesem Robert, mit ihrem ganzen Leben hier.
Zerschneiden
, sagte sie.
    Ich glaub’s nicht! sagte ich.
    Heumann ließ die Seiten blättern wie ein Daumenkino. Ich starrte das Heft an. Die Schrift verschwamm. Er schlug das Heft zu.
    Eva ist eine schreckliche Tagebuchschreiberin, sagte Heumann. Sie datiert nicht, sie schreibt quer über die Seite, dann gerade,
     sie schreibt Juli, und dann ist Winter. Dazwischen zeichnet sie Nasen und Akte von Frauen und irgendwelche Bilder ab. Sie
     reißt Seiten heraus. Es gibt lose Zettel, Briefchen. Sie hat die Gleichzeitigkeit der Zeitschichten wörtlich |294| genommen. Das haben wir damals alle gemacht, zumindest in der Kunst.
    Ich begreife gar nichts mehr, sagte ich.
    Die Wand der Kneipe schimmerte dunkelgrün; Flecken schienen darauf zu tanzen. Ich hielt mich an Heumanns blauen Augen fest.
    Was steht da über mich drin?
    Heumann druckste herum.
    Sag schon!
    Ehrlich gesagt, nicht so viel. Das Tagebuch setzt mit dem Maler ein, Jackson. Vielleicht gab es eins –
    Warum? fragte ich. Idiotische Frage.
    Ich weiß es nicht. Sie hat es nicht kommentiert.
    Ich habe manchmal das Gefühl, du redest von einem anderen Jahrhundert als meinem, sagte ich. Mir fiel nur noch Unsinn durch
     den Kopf. Wieso hatte Eva mir nichts hinterlassen?
    Naja, sagte Heumann und lehnte sich zurück, wir haben ja auch in verschiedenen Welten gelebt, oder? Du hast am Nachmittag
     im »Café Einstein« deine Mélange getrunken und ich war abends da, wenn Kippenberger oder ein anderer seine Show abzog. Aber
     wir haben beide den ›Himmel über Berlin‹ gesehen, ich meine den von Wenders, da wette ich drauf, der kam damals raus, erinnerst
     du dich?
    Ich hatte schon gar nicht mehr hingehört. Nach Eva, sagte ich schwerfällig und als spräche ich mit mir selbst, habe ich über
     zwei Jahre lang mit keiner anderen Frau geschlafen. Vielleicht waren es auch drei. Ich wollte sicher sein, dass ich nicht
     mehr an sie denken würde, wenn ich es tat.
    Ich sackte innerlich zusammen. Plötzlich tauchte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher