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Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt
Autoren: Tanja Langer
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doch gleich
     gesagt? Ich nehme mir nichts, ich kämpfe um keine, das ist nicht richtig.
    Ich bin nicht männlich, ich bin nicht weiblich, ich weiß nicht, in welcher Zeit ich bin.
    Ich weiß nur: Das Spiel, das Eva hieß, war das Leben.
     
    |290| Heute habe ich Heumann wiedergesehen, in der Markthalle, an meinem Lieblingsstand, wo ich immer ein Paar Wiener Würstchen
     esse. Ich bin in der letzten Zeit oft draußen, auf der Straße, ich bin nicht gern allein in meiner leeren Wohnung. Wienerle
     zu essen, tröstet immer. Und der Plausch mit der Imbissbesitzerin auch. Die Markthalle soll bald geschlossen und saniert werden.
     Heumann aß auch Wienerle. Er sah nett aus, irgendwie nicht verlebt wie manche seines Alters und aus diesem Milieu, mit dem
     ich später, nach Eva, nicht mehr allzu viel zu tun hatte. Wir sprachen kurz miteinander und tauschten erneut unsere Telefonnummern
     aus. Er verreist für ein paar Tage, danach wollen wir uns treffen.
    Ich habe nach Eva immer gedacht, die Liebe ist nicht so wichtig. Ich habe meine Arbeit getan, und mit den Frauen, das ergab
     sich immer mal. Ich war froh, gebraucht zu werden, beruflich, ein Mann braucht das, gebraucht zu werden, es muss einer ja
     für etwas gut sein. Ich dachte mir auch, sich so sehr mit Liebesdingen zu befassen, lenkt nur davon ab, dass wir uns einem
     größeren Netz nicht zugehörig fühlen. Was einer eben so denkt. Wer setzt sich schon gern den eigenen Skrupeln aus?
     
    In meiner Kanzlei sehe ich Leute, die ihre Arbeit verloren haben und sich gegen eine weitere Mieterhöhung wehren. Lebenslustige
     Männer, die Spielschulden gemacht haben, von denen ihre Familien nichts wissen. Alleinerziehende Frauen, die sich im Blätterwald
     der Formulare nicht zurechtfinden und schon wieder schwanger sind. Das sind die einen. Auf der anderen Seite sehe ich gut
     abgesicherte Paare in meinem Alter, die Kinder haben und sich scheiden lassen. Die sich um Geld und Sorgerecht nicht streiten,
     sondern vernünftig einigen. Sie waren zur selben Zeit jung wie ich. Ich frage mich, ob wir in diesem sonderbaren Jahrzehnt,
     bevor die Mauer fiel, irgendetwas liegen gelassen haben. Etwas sehr Unlogisches. Etwas, das wir bräuchten, um besser Fuß zu
     fassen in |291| diesem Leben. Als ob wir alle nur zu Besuch wären. Aber vielleicht rede ich nur von mir selbst. Ich habe es schon immer gehasst,
     wenn jemand nicht zurückruft, obwohl er gesagt hat, er tut es.
     
    Bevor ich Heumann anrufen konnte oder er mich, sind wir uns wieder über den Weg gelaufen. In der Buchhandlung, bei meiner
     schönen Buchhändlerin, da stand er, mit ihr ins Gespräch vertieft. Ich wollte eine Neuübersetzung von Robert Burtons ›Anatomie
     der Melancholie‹ bestellen, ein Klassiker auf diesem Gebiet. Die beiden unterhielten sich angeregt über die ›Geschichte der
     O.‹ Es hatte wohl einen Film über die Autorin im Fernsehen gegeben. Die schöne Buchhändlerin wurde rot, als sie mich sah,
     Heumann lächelte erfreut. Sie hat eine große Leidenschaft für Pornografie! Das wusste ich gar nicht. Dabei gehe ich seit Jahren
     dorthin und verehre sie heimlich. Natürlich wusste ich es nicht. Ich bin nicht der Typ, dem man so etwas erzählt. Aber Heumann.
     Ich sah Heumann überrascht an. Wir redeten einen Moment zu dritt, dann fragte ich ihn, ob er Zeit hätte. Er überlegte nicht.
    Warum nicht? sagte er. Heute Abend?
     
    Irgendwann fragte ich ihn.
    Eva? fragte Heumann. Ich habe sie lange nicht gesehen. Sehr lange. Eva und ich haben nie ein Verhältnis miteinander angefangen,
     wenn du das wissen willst. Wir mochten uns. Sie fand mich viel zu alt, sagte er und lachte wie ein Junge. Ich hatte eine Freundin,
     außerdem. Meine Treue war immer ein Selbstschutz, der Respekt vor der eigenen Eifersucht, die im anderen ausbrechen könnte.
     Eva kannte so etwas nicht, sie hat sich nicht geschützt und den anderen auch nicht. Ich hätte mich niemals auf sie eingelassen,
     obwohl ich mit keiner anderen Frau jemals so habe reden können wie mit ihr. Außerdem hätte ich immer befürchtet, dass sie
     mich mit ihrem Maler vergleichen würde.
    |292| Ihrem was? fragte ich.
    Na dem Maler, mit dem sie damals zusammen war. Jackson hieß er, nicht wahr?
    Das war doch nur kurz! rief ich aus.
    Der war vielleicht der Einzige, dem sie wirklich gern treu gewesen wäre.
    Nein, sagte ich entschieden, nein! Über den ist sie bald hinweggekommen und hat mit anderen Typen geschlafen – nein, nein,
Robert
wollte sie treu
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