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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nichts, als daß sie wie er Physiker waren, in Deutschland, den USA und England studiert hatten, die Alltagsnamen Jussuf und Faruk trugen, begabte und dazu fleißige Gelehrte waren und der jungen Generation afrikanischer Fanatiker angehörten, deren Wahlspruch ›Alles für das Vaterland‹ ihr gesamtes Dasein regelte. Seit seiner Ankunft in Kairo und seiner Einstellung in die Raketenforschung arbeitete Alf Brockmann mit Jussuf und Faruk zusammen, sie waren so etwas wie Freunde geworden; aber so eng der Kontakt auch war, immer blieb dieser Rest Geheimnis um sie. Er wußte nicht, woher sie kamen, ob sie noch Eltern besaßen, ob sie verheiratet waren. Sie waren einfach da und taten ihre Arbeit präzise und gut. Jetzt standen sie im Schatten unter den staubigen Palmen und warteten. Es schien ihnen unverständlich zu sein, warum der sonst so kluge Deutsche nicht begriff, daß die Staatsmacht, vertreten durch Yarib Assban, stärker war als alle unterschriebenen Papiere, Verträge oder humanitären Überlegungen.
    Alf Brockmann drehte sich zu seiner Sekretärin Lore Hollerau um. Ein hübsches Mädchen von sechsundzwanzig Jahren mit langen, braunen Haaren und einem schlanken, sportlichen Körper. Auch sie war vor einem Jahr nach Ägypten gekommen. Vorher arbeitete sie als Laborsekretärin bei Prof. Hillebrechten in München. Warum sie sich nach Kairo anwerben ließ, konnte Brockmann nur ahnen. Ein paarmal hatten sie darüber gesprochen, so wie man über etwas Undelikates spricht. Ein Mann spielte im Leben Lore Holleraus einmal eine Rolle. Er hatte Benno geheißen. Eine große Liebe, die irgendwie zerbrach. Sehnsüchte, die vermoderten; Illusionen, die zerplatzten; Wünsche und Träume, die der Alltag zerriß. Sie flüchtete vor der Vergangenheit nach Ägypten, aber in dem Jahr, das sie nun mit Alf Brockmann zusammenarbeitete, hatte sie die Erinnerung noch nicht ersticken können. So sah man sie freundlich, aber reserviert; höflich, aber irgendwie kühl; selten lachend und meistens mit großen, nachdenklichen, braunen Augen.
    »Was halten Sie davon, Lore?« Brockmann sah seinem Pferd nach, das jetzt von einem Soldaten weggeführt wurde. »Statt Mittagessen im ›Caid‹ verschleppt man uns in die Wüste. Nicht einmal die Zahnbürste dürfen wir holen.«
    Lore Hollerau schüttelte den Kopf. »Es wird einen wichtigen Grund haben, Chef.«
    »Können wir gehen, Sir?« fragte Assban dazwischen.
    »Wir müssen uns Ihrem Willen unterwerfen. Aber ich werde doch noch protestieren, General.«
    »Vielleicht. Wenn Sie Ihre neue Wirkungsstätte sehen, glaube ich, daß Sie selbst einen Protest für sinnlos halten.«
    Vor dem geschlossenen Lastwagen blieben sie stehen. Brockmann fuhr zu Assban herum. Jussuf und Faruk saßen bereits unter dem sandfarbenen Autodach.
    »Da hinein? Also doch Gefangener?«
    »Aber nein, Sir. Der Wagen hat eine automatische Kühlung. Es geht uns nur darum, daß niemand Sie auf der Fahrt sieht. Sie haben in Ihrem Hirn eines der wichtigsten Staatsgeheimnisse unseres Volkes, das gilt es zu schützen. Bitte, verstehen Sie mich!«
    Brockmann half Lore Hollerau beim Einsteigen. Dann schwang er sich selbst in den Wagen und setzte sich auf die gepolsterte Bank. Ein auf dem Wagenboden festgeschraubter Tisch war mit Kaffeekanne und Geschirr aus Plastikmaterial gedeckt.
    Die Tür schloß sich. Von außen klirrte ein Riegel vor. Die grelle Mittagssonne erlosch; über ein schräges, vergittertes Oberlicht fiel mildes Tageslicht, wie gefiltert, in das Innere des Wagens. Ein Kühlaggregat begann leise zu summen. Mit Rumpeln und Schnaufen sprang vorne der Motor an, der Wagenboden zitterte, Räder knirschten, und der Tisch mit dem Geschirr schwankte.
    »Wir fahren, Chef«, sagte Lore Hollerau. »Wünschen Sie einen Kaffee?«
    »Danke. Nein.« Alf Brockmann sah zu seinen beiden ägyptischen Kollegen hinüber. Sie saßen auf ihrer Bank wie Puppen und starrten gegen die Wand. »Was halten Sie von diesem merkwürdigen Umzug?« fragte er laut.
    Jussuf, klein, raubtierhaft, mit tiefen Pockennarben auf beiden Wangen, hob die Schultern.
    »Allah wird es gut machen«, sagte er.
    Allah, dachte Brockmann und lehnte sich zurück. Das ist ihre ganze Waffe gegen das Rätselhafte. Oder kommt es daher, daß sie wissen und erkennen, wie wenig sie auf dieser Welt wert sind?
    Bir Assi heißt der neue Ort, dachte er weiter, während die kleine Wagenkolonne gen Süden fuhr, El Fayum entgegen. Ob Birgit sich in einer kleinen Oase wohl fühlen wird?
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