Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
der Faust Hauptmann Brahms gegen die Brust, denn er hatte den Eindruck, daß Brahms gar nicht zuhörte. »Mit zehn Plätzen kommen wir aber nicht aus. Lore, Sie, Zuraida, meine Frau, ich, Baraf, Ihre Stoßtruppleute …«
    Brahms lächelte schwach und schüttelte den Kopf. »Rechnen Sie nicht, Brockmann. Sie brauchen nur drei Plätze.«
    »Aber wieso denn? Wir haben doch besprochen, daß Sie …«
    »Mein lieber Freund, ich habe Sie reden lassen, um Ihnen die freudige Stimmung nicht zu verderben.« Brahms lehnte sich zurück und blickte in den glühenden Himmel. »Deutschland … es wäre zu schön. Die Fichtenwälder des Sauerlandes, die Tannen des Schwarzwaldes, der Salzwind auf Westerland, die Stille des Harzes, die Almen im Allgäu … und Schnee. Herrlicher Schnee. Wie oft habe ich davon geträumt, wenn Weihnachten war und die Sonne mit vierzig Grad über der Wüste brannte. Zwei Meter Schnee, habe ich mir gewünscht. Untertauchen in den weißen Flocken. Und dann der Winterwald. Die Stille. Die Heiligabend-Glocken. Es riecht nach Pfeffernüssen und Spekulatius. O Gott, ich habe vor Sehnsucht und Heimweh geweint. Jede Weihnachten.«
    »Dann kommen Sie mit. In vier Monaten schneit es wieder.«
    »Es geht nicht, mein Lieber.« Brahms senkte den Kopf und rührte in seiner Mokkatasse. »Es geht darum nicht, weil es ungeheure Komplikationen geben würde. Uns gibt es gar nicht mehr in der Heimat. Verstehen Sie? Wir alle sind schon seit Jahren für tot erklärt worden. Viele von uns haben seit 1946 kein Lebenszeichen mehr nach Deutschland gegeben. Wir sind für die Heimat Tote. Heldentote. Und nun sollen wir zurück und sagen: Da sind wir doch noch. Nein, das geht nicht. Die meisten von uns haben hier ihr zweites Leben begonnen … wir träumen von der Heimat, aber wir werden nie zu ihr zurückkommen.«
    »Aber wovon wollen Sie denn leben, Brahms?«
    Hauptmann Brahms lächelte versonnen. »Für meine ›Stoßtruppleute‹ ist bereits gesorgt. Sie haben Anstellungen gefunden bei libyschen Firmen. Baraf bleibt bei mir. Und ich …« Brahms sah Brockmann eine Sekunde stumm an. »Alf, halten Sie mich jetzt nicht für einen Idioten, denn so und nicht anders ist nun mal mein Leben: Ich habe ein Angebot von der libyschen Regierung. Ich bekomme einen neuen Paß. Auf den Namen Mahmout Hahlemi. Und ich übernehme eine Abteilung der Spionageabwehr.«
    »Brahms!« Brockmann wollte aufspringen, aber Brahms drückte ihn auf den Stuhl zurück. »Sie sind wirklich verrückt. Und Zuraida?«
    »Wir werden heiraten, viele braune Kinderchen bekommen und gute arabische Bürger sein. Ist das nicht ein herrliches Leben … auch ohne Schnee?«
    »Ich gebe es auf.« Brockmann hob beide Arme und ließ sie lachend an den Körper zurückfallen. »Sie sind kein Lebenskünstler, sondern ein Lebensartist.«
    »Genau.« Brahms nippte an dem Mokka. »Ein Prost auf Ihre tapfere Birgit, Alf! Ohne ihre Liebe säßen Sie heute noch in Bir Assi, spielten den Witwer und bauten Raketen. Ich habe nie an den dummen Spruch geglaubt, daß Liebe Berge versetzen kann. Heute ziehe ich den Hut vor jeder Frau, die zu mir sagt: Ich gehe für meinen Mann durch die Hölle … Verdammt noch mal – ich glaube es ihr sogar.«
    *
    In den nächsten vierundzwanzig Stunden hatte das Schicksal keine Zeit mehr. Um sieben Uhr morgens flog die Maschine nach Rom.
    In Rom wartete bereits Konrad Gerrath auf Alf und Birgit. Er war ihnen entgegengeflogen. Es hielt ihn einfach nicht in Lübeck, zumal er allein wußte, wo der kleine Jörgi mit seiner Großmutter versteckt war.
    »Willkommen, Alf«, sagte er. Mehr nicht. Was sagt man auch sonst unter Männern?
    Dann küßte Gerrath Birgit, und es war der erste Kuß von ihren Lippen, den er bekam. »Ich danke dir für alles, was du für uns getan hast, Konrad«, sagte Birgit unter Tränen der Freude und der Erlösung. »Wir können diese Schuld nie wieder abtragen.«
    »Dummheit.« Gerrath wandte sich fast grob ab. Der Kuß Birgits hatte ihn erschüttert. Was seit Monaten sein Wunsch gewesen war, erwies sich jetzt als ein Kuß, wie er zwischen Geschwistern üblich ist.
    Eine Stunde Aufenthalt in Rom.
    Weiterflug nach Frankfurt.
    Dort standen zwei Wagen bereit. Der große Citroën Gerraths und ein Wagen der Universitätsaugenklinik.
    Nach drei Stunden Fahrt in den Schwarzwald erreichten Alf, Birgit und Gerrath ein abgeschiedenes Tal mit vereinzelten, breit hingelagerten Häusern, heruntergezogenen Dächern und langen, geschnitzten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher