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Nackt schlafen ist bio

Nackt schlafen ist bio

Titel: Nackt schlafen ist bio
Autoren: Vanessa Farquharson
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ist er mit wichtigen redaktionellen Angelegenheiten beschäftigt. Also schrieb ich eine Woche später, als mein Projekt praktisch startklar war, unserem Chef vom Dienst, der, obschon ein Ass in Sachen Internet, noch lernen musste, dass es uncool war, von der »Datenautobahn« zu sprechen. Ich schickte ihm meine URL und fragte ihn, ob er vielleicht auf der Homepage der Post darauf verlinken oder mir seine Meinung dazu sagen könnte.
    Es verstrichen weitere zwei Wochen, aber schließlich mailte er zurück: »Warum schreiben Sie kein Film-Blog?«
    Nun ja, es würde also schwieriger werden als gedacht. Trotzdem, sagte ich mir, wenn ich einen festen Leserstamm aufbauen und eine gewisse Anzahl von Seitenzugriffen pro Tag erreichen könnte, würden meine Chefs – die meist noch vor kurzem keine Ahnung gehabt hatten, was man unter RSS -Feeds und Schlagwortwolken versteht – doch irgendwann bestimmt bei mir an die Trennwand meiner Großraumbürobox klopfen, oder? Und selbst wenn nicht, sollte ich mich dadurch etwa von meinem Öko-Jahr abhalten lassen und nicht wenigstens meiner Familie, meinen Freunden und ein paar Blog-Freaks beweisen, dass umweltbewusst zu leben keineswegs eine so beängstigende Perspektive war? Außerdem hatte es mich ein ganzes Wochenende gekostet, diese blöde Website zu basteln, also würde ich mein Ding jetzt um Mutter Erde willen durchziehen, egal, ob jemand davon Notiz nahm. Ja, und am 1. März war der Kompost am Dampfen.
    Es kam mir vor, als stünde mir eine Art Öko-Coming-out bevor, deshalb waren die ersten Menschen, denen ich von meinem waghalsigen Vorhaben erzählte, diejenigen, die zu mir halten mussten, ob sie wollten oder nicht, die mich sogar dann noch lieben mussten, wenn ich nach Hanföl stank und mir unter den Achseln Dreadlocks wachsen ließ: meine Eltern.
    »Mein Projekt ist keine Spinnerei«, erklärte ich zwei gefurchten Stirnen, einem schräg gelegten Kopf und einem halb offenen Mund, dem geballten Ausdruck ihrer Besorgnis. Wir saßen in einem Restaurant, es war der Vorabend vor meinem Öko-Abenteuer. Mit diesem, so erläuterte ich ihnen, würde ich in 365 einfachen Schritten den Planeten retten, und meine Fortschritte dabei würde ich online dokumentieren.
    »Am ersten Tag steige ich auf Recycling-Küchenrollen um«, sagte ich. »Am zweiten könnte ich beispielsweise auf mein elektrisches Heizkissen verzichten. Ganz einfache Sachen.«
    Ja, räumte ich ein, es könne schon sein, dass ich irgendwann in den letzten Wochen mal Al Gores Eine unbequeme Wahrheit gesehen hatte, und ja, diese Computersimulation mit dem ertrinkenden Eisbären könnte einen gewissen Einfluss auf mich gehabt haben. Aber mir gehe es doch gerade darum, mich aus Politik möglichst herauszuhalten, zu beweisen, dass umweltfreundliches Verhalten nicht zwangsläufig hieß, dass man auf Demos mitmarschierte und bunte Folklore-Hosen aus Guatemala trug. Schließlich, so merkte ich an, wüssten sie doch selbst besser als jeder andere, dass ihre erstgeborene Tochter gern die Heizung bis zum Anschlag aufdrehte, ihre Glühlampen dimmte und ihre monatlichen Ersparnisse schon mal für eine Flasche Veuve Clicquot Rosé draufgingen, die sie sich genehmigte, während sie eine komplette Staffel von America’s Next Top Model am Stück schaute. Außerdem sei es ihnen ja auch nicht neu, dass ich einen britischen Pass besaß und somit einen Humor, der so trocken war wie ein wochenalter Staubfussel. Ich sei keine militante Öko-Streiterin, die mit Begriffen wie »Permakultur« um sich warf und ohne Ende darüber schwadronierte, wie gesund Weizengras war. Also bitte.
    »Ihr seht also«, schloss ich, »wenn ich für die Umwelt Gutes tun kann, ohne mir meine geliebte schmeichelnde Beleuchtung, den überteuerten Champagner und Reality- TV verkneifen zu müssen, dann kann das jeder schaffen. Stimmt’s? Gebt zu, dass ich recht habe.«
    »Meine kleine Aktivistin«, gurrte meine Mutter schließlich, was nach 90 Prozent Ermutigung und 10 Prozent Sarkasmus klang, während sie sich den Resten ihres Filets Mignon widmete. Ich sinnierte, ob das Fleisch aus konventioneller Produktion stammte, fragte mich dann aber, ob mir das im Grunde nicht wurscht war.
    »Und was ist am dritten Tag?«, wollte mein Vater wissen.
    »Am dritten Tag?«, echote ich. »Na, so weit habe ich nicht vorausgeplant …«

1. MÄRZ , 1. TAG
    Auf Recycling-Küchenpapier umsteigen
    »Töricht«. Dieses Wort lernte ich irgendwann in der Unterstufe kennen, und ich finde, es
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