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Nackt schlafen ist bio

Nackt schlafen ist bio

Titel: Nackt schlafen ist bio
Autoren: Vanessa Farquharson
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Typen, der aussah, als hätte man ihm irgendwann einmal eine Komparsenrolle in einer romantischen Komödie mit Matthew McConaughey, Jennifer Aniston und einem manischen, aber im Grunde sympathischen Schoßhund angeboten, doch dann hätte er im letzten Augenblick beschlossen, eine Schauspielerkarriere sei ihm zu oberflächlich, und sich stattdessen der Öko-Bewegung angeschlossen.
    »Na ja«, erwiderte Meghan. »Den Pulli find ich nicht so prickelnd. Der erinnert mich an Bill Cosby. Was ist mit dem Typen dort drüben?«
    Ich schaute in die Richtung, in die sie deutete.
    »Ziemlich hohe Stirn«, antwortete ich.
    Das ist typisch für unsere Gespräche über Männer. Wir sind derart kritisch, dass ein armer Kerl schon wegen so etwas Banalem wie dem Mosaikmuster seines Pullis oder seinem fliehenden Haaransatz bei uns untendurch ist. Aber der erste Eindruck zählt nun mal, und wir ziehen nie das Urteil der anderen in Zweifel. Außerdem dauerte es nur etwa 20 Minuten, bis wir unsere Wahl in gegenseitigem Einvernehmen getroffen hatten.
    Als ein Mädchen in einem T-Shirt mit dem Aufdruck »Heißer als ich sein sollte« – eine Anspielung auf den Klimawandel – die Bühne betrat und etwas darüber murmelte, weshalb wir alle hier seien, beugte ich mich zu »meinem« Typen vor und fragte mit meinem betörendsten Augenaufschlag, ob er gehört habe, was die Organisatorin gesagt habe, da ich wegen all den ratternden Pedalen kaum etwas verstehen könne.
    »Sie kündigt die erste Nummer an«, gab er mit ausdrucksloser Miene zurück und schaute wieder nach vorn. Ich rückte etwas näher an ihn heran, aber kaum hatte die Gruppe mit ihrem Öko-Rap angefangen – der sich anhörte, als würde das jede Kindergartengruppe besser hinkriegen –, sprang er in einem plötzlichen Anfall von Begeisterung herum, stieß immer wieder die Faust in die Luft und gab aufmunterndes Gejohle in Richtung Bühne von sich. Ein echter Aktivist. Ohne jedes Rhythmusgefühl. Und mit noch weniger Sinn dafür, wann er sich lächerlich machte. Vergiss ihn.
    Ich drehte mich um, um zu sehen, wie es Meghan erging. Sie hatte sich den Typen am Eingang ausgesucht, der den Gästen einen Stempel auf die Hand drückte. Binnen Sekunden stand sie wieder neben mir.
    »Krass«, sagte sie. »Ich habe ihn gefragt, ob er weiß, wann die Hauptband spielt, weil ihre CD auf dem Tisch ausliegt und ziemlich cool aussieht.«
    »Und?«, fragte ich.
    »Und er sagte: ›Ja, die kommen als Nächstes – du kannst dir aber auch die CD kaufen und sie zu Hause anhören.‹ Ich meine, damit hat er im Grunde gesagt, ich soll abhauen.«
    Vielleicht überinterpretierten wir die Dinge und gingen nicht offensiv genug vor; vielleicht hatten wir nach zwei Stunden Anti-Styropor-Party zu hohe Erwartungen. Auf jeden Fall beschlossen wir, den Rat des Typen am Einlass zu befolgen und uns vom Acker zu machen.
    5. MÄRZ , 5. TAG
    Den Thermostat runterdrehen
    Februar und März sind nicht gerade die schönsten Monate des Jahres. Es ist nicht mehr Winter, aber auch noch nicht Frühling. Es gibt weder eine frische Schneedecke noch zwitschernde Vögel oder knospende Bäume; stattdessen grauer Himmel, graue Straßen, grauer Matsch und in meinem Fall auch graue Tristesse. Also sagte ich mir, wenn ich die Initiative ergriff, meine Stiefel mit den Salzrändern und den rotzverschmierten Schal hinten im Schrank verstaute, einen Strauß frische Tulpen kaufte und den Thermostat herunterdrehte, dann würde die Natur den Wink verstehen und ihrerseits mit ein bisschen Sonne und warmem Wetter aufwarten.
    Gerade die letztgenannte Aktion, das Abschalten der Heizung, erschien mir als eine weitere leicht durchführbare Öko-Maßnahme. Klar, ich würde ein paar Kleiderschichten mehr und an besonders trostlosen Abenden einige zusätzliche Tassen heiße Schokolade benötigen, aber das würde ja bald vorbei sein. Außerdem aß ich zu Mittag schon Salat und ließ mir von meiner alten Freundin Visa eine neue Sonnenbrille spendieren – mochte es Wunschdenken sein oder nicht, ich spürte, dass der Frühling schon in der Luft lag.
    Manchmal vergesse ich aber, dass sich mein Kreislauf seit 1979 im Streik befindet und Blutdruck und Herzfrequenz sich mit vereinten Kräften weigern, mir irgendwie entgegenzukommen. Meine Finger und Zehen haben selten eine andere Farbe als Rot, Blau und manchmal auch Weiß – sogar im Sommer zeigen sie Erfrierungssymptome, wenn ich einen klimatisierten Raum betrete. Binnen weniger Tage fand ich mich mit
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