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Nachtzug

Titel: Nachtzug
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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war, wie man ihn herstellte, warum er den WeilFelix-Test durcheinanderbringen konnte und wie die »Epidemie« organisiert worden war.
    »Das ist ja ganz unglaublich!« entfuhr es Fritz Müller, als der Priester geendet hatte.
    »Unglaublich, ja«, versetzte Hartung finster, »aber leider hast du bei deiner spannenden Geschichte eine Kleinigkeit vergessen, Priester.«
    »Ach wirklich?«
    »Die unbedeutende Tatsache, wer deine Mitverschwörer waren und wo sie sich jetzt aufhalten.«
    {351} »Nun, in diesem Punkt muß ich Sie leider enttäuschen, meine Herren, denn sehen Sie, sie sind alle bereits sicher außerhalb Polens, und ich bin der einzige, der noch übrig ist.«
    »Aber du weißt, wo sie sind, nicht wahr?«
    Piotr Wajda blickte geradewegs in Hartungs kalte, schieferblaue Augen. »Wie ich schon sagte, sie befinden sich außerhalb Polens und sind für Sie unerreichbar.«
    »Ich kann dich zum Reden bringen, Priester.«
    Der Pfarrer lächelte und schüttelte langsam den Kopf. »Wohl kaum. Und ich denke, Herr Sturmbannführer, daß Sie tief im Herzen wissen, daß Sie mich durch nichts zum Reden bringen werden.«
    Hartung starrte noch einen Augenblick in die ruhigen Augen des Priesters. Dann explodierte er plötzlich und brüllte den umstehenden Männern aus vollem Hals Befehle zu. Im Nu erfüllte Maschinenpistolenfeuer die Luft, während die Kugeln Piotr Wajdas Körper zerrissen. Unheimlich hallte der Donner an den Steinsärgen wider. Doch als die Waffen schwiegen, sah Maximilian Hartung mit einer Mischung aus Grauen und Wut, daß Pfarrer Piotr Wajda mit einem heiteren Lächeln auf den Lippen gestorben war.

{353}
New York City – Die Gegenwart
    {355} »Maria …«, flüsterte er. »Sind Sie es denn wirklich? Und Sie leben!«
    »Ja, Jan.« Ihre Stimme zitterte, und sie konnte die Tränen kaum zurückhalten.
    Erst seit ein paar Minuten saßen sie in seinem Büro zusammen, hatten sich zunächst nur über den Schreibtisch hinweg angesehen, gefühlt, wie Jahre und Jahrzehnte an ihnen vorüberzogen und die Erinnerung allmählich zurückkommen ließen. Dann hatte Dr. John Sukow in plötzlicher Erkenntnis die Hände vors Gesicht geschlagen und war lange so sitzen geblieben.
    »Ich habe Sie gesucht«, sagte sie ruhig. »Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben, daß sie am Leben sind und irgendwie aus Polen fliehen konnten.«
    »Mein Gott, ich kann es noch gar nicht glauben … Sie wiederzusehen …«
    »Wie sind Sie entkommen, Jan?«
    »Ironischerweise war es ganz einfach für uns. Piotr Wajda hat Katarina, Alex und mich in das Dorf Dobra gefahren, wo wir uns acht Monate versteckten, bis die Russen Polen bis nach Auschwitz befreit hatten. Wir hatten ursprünglich vorgehabt, nach Sofia zurückzukehren, aber die Russen behandelten die Polen so grob, daß wir uns den Menschen anschlossen, die nach Deutschland flohen. Von dort aus wanderten wir zwei Jahre später nach Amerika aus. Wir änderten unsere Namen – was Sie ja auch getan haben, wie ich sehe – und leben seither in New York. Aber Maria, was ist mit Ihnen? Was ist Ihnen passiert? Ich glaubte die ganzen Jahre über, Sie seien tot!«
    »Dann haben Sie also meine Nachricht aus dem Labor erhalten …«
    »Allerdings! Ich fand sie zunächst verwirrend, aber als ich sie schließlich entschlüsselte, habe ich mich unverzüglich aus dem Staub gemacht. Aber erzählen Sie mir über sich!«
    »Ich habe mich dem Widerstand angeschlossen und im Warschauer Aufstand aktiv mitgekämpft. Danach war ich nur eine unter Hunderttausenden Heimat- und Namenloser. Unter falschem Namen gelang es mir, nach England zu fliehen, und dort lebe ich seither als {356} Leiterin eines Krankenhauses. Aber wissen Sie, Jan, ich hatte von anderen Flüchtlingen erfahren, daß Sie noch rechtzeitig aus Polen herausgekommen sind. Es hieß, daß Sie als Spezialist für Infektionskrankheiten in den Vereinigten Staaten arbeiten. Ich habe lange vergeblich nach Ihnen gesucht, war bei so vielen Ärzten …«
    Jans Blick fiel auf das Foto auf der Titelseite des
Buenos Aires Herald.
Das Gesicht, obgleich älter, war unverwechselbar das ihres ehemaligen Freundes Maximilian Hartung. »Wir haben uns wegen ihm andere Namen zugelegt, nicht wahr?«
    »Ja, er war wohl der Grund. Irgendwie habe ich immer gewußt, daß Max den Krieg überleben und entkommen würde. Und ich hatte immer das Gefühl, daß er bis ans Ende seiner Tage auf Rache sinnen würde. Ich wußte, daß auch Sie Ihren Namen geändert haben mußten.
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