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Nachtzug

Titel: Nachtzug
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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mit der Begründung, er müsse sich in Sofia um ein »dringendes Vernichtungsproblem« kümmern. Er setzte sich in den Wagen und begab sich auf direktem Weg nach Warschau, wo er um Mitternacht ankam und Fritz Müller in Begleitung zweier Unteroffiziere zusteigen ließ. Ohne sich länger aufzuhalten, fuhr er, von süßen Rachephantasien beschwingt, sofort nach Sofia weiter.
    Um zwei Uhr morgens verließ Dieter Schmidt das Gestapo-Hauptquartier und stieg in seinen wartenden Mercedes. Nachdem er das Fernschreiben erhalten hatte, hatte er rund um Szukalskis Haus Wachen postiert und seinen Männern angekündigt, daß es in der Nacht zu Verhaftungen käme. Ein bewaffnetes Truppenkontingent wartete hinter dem Befehlsfahrzeug. Der Vollmond warf seine blassen Strah {347} len über den Marktplatz und tauchte die dort versammelte Gruppe in ein düsteres Licht. Auf Schmidts Befehl setzte sich der Zug in Bewegung und rollte in feierlichem Ernst auf Szukalskis Haus zu. Schmidt war so aufgeregt bei dem Gedanken, den Doktor in seine Gewalt zu bringen, daß er sich kaum beherrschen konnte.
    Der kleine Konvoi hielt mitten auf der engen Straße vor dem Haus, und die Fahrer ließen die Motoren absichtlich aufheulen. Durch den Lärm geweckt, spähten die Nachbarn zaghaft hinter den Gardinen hervor.
    »Sichert die Rückseite!« befahl Schmidt einigen Soldaten. Die übrigen bezogen vor dem Haus Stellung, bereit, beim kleinsten Anzeichen von Widerstand von der Waffe Gebrauch zu machen. Flankiert von zweien seiner größten Männer, trat Schmidt persönlich an die Haustür und klopfte mit dem Griff seiner Stabpeitsche laut dagegen.
    »Aufmachen, Szukalski! Geheime Staatspolizei! Wenn du nicht aufmachst, lasse ich die Tür eintreten!«
    Schmidts Stimme verhallte in der Stille der Nacht.
    »Verflucht!« zischte er leise.
    Dieter Schmidt schlug noch einmal gegen die Tür, und diesmal so fest, daß der Griff der Peitsche abbrach und auf die Straße flog.
    »In Ordnung!« rief er und wich von der Treppe zurück. Den wartenden SS -Männern brüllte er zu: »Schießt die Tür auf!« Sie feuerten mit ihren Maschinenpistolen auf die Tür und traten sie dann ein.
    »Schafft ihn heraus!« rief Schmidt. »Auf der Straße soll er kriechen!«
    Er winkte sechs Männern hineinzugehen, und befahl ihnen, die Wohnung, wenn nötig, zu demolieren.
    Hauptsturmführer Dieter Schmidt stand draußen und lauschte ungeduldig, während seine Männer Möbel zerschmetterten, Schränke aufbrachen, Glasgeschirr zerschlugen und Vorhänge herunterrissen. Zu seiner Bestürzung vernahm man aber keine Schreie überwältigter Opfer.
    »Holt die Äxte und schlagt alles kurz und klein!« kreischte er, obwohl er insgeheim schon wußte, daß Szukalski gewonnen hatte. Nachdem er der Zerstörung des Hauses eine Stunde lang zugeschaut hatte und schließlich die Erfolglosigkeit dieses Unternehmens einsah, befahl er, das Gebäude anzuzünden. Danach zogen sie weiter zur Wohnung Maria Duszynskas, die er ebenfalls seit Erhalt des Telegramms über {348} wachen ließ. Doch Schmidt wußte, daß die Suche nach ihr zu nichts führen würde, da er ihr selbst vor zwei Monaten die Genehmigung für eine Reise erteilt hatte, von der sie nie zurückgekehrt war. Nach einer sinnlosen Durchsuchung des Krankenhauses kehrten Schmidt und seine entmutigten Männer ins Gestapo-Hauptquartier zurück, um die Ankunft von SS -Sturmbannführer Maximilian Hartung abzuwarten.
     
    »Was soll das heißen, sie sind weg?« brüllte Hartung, dem vor Erregung die Halsschlagadern hervortraten.
    Fritz Müller saß erschöpft und überdrüssig in Schmidts Büro und sah so aus, als wäre er die ganzen zweihundert Kilometer von Warschau zu Fuß gelaufen. Er schüttelte nur schweigend den Kopf, während die beiden Männer stritten.
    »Er ist nirgends zu finden, Sturmbannführer«, verteidigte Schmidt sich zaghaft und wich einen Schritt zurück. »Duszynska hat die Stadt vor zwei Monaten verlassen und hätte eigentlich nur eine Woche wegbleiben dürfen. Sie hatte Krebs und …«
    »Gott! Diese Unfähigkeit! Kein Wunder, daß es dem Pack gelungen ist, Sie so lange zum Narren zu halten! Sie haben nicht einmal Kontrolle darüber, wann jemand kommt und geht!« Der ganze aufgestaute Zorn brach aus Hartung hervor und entlud sich über Schmidt. »Ich kann nicht glauben, wie Sie das zulassen konnten!«
    Schmidt schrumpfte buchstäblich unter dem Hagel obszöner Kraftausdrücke, die Hartung auf ihn niederprasseln ließ. Er hielt Mund
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