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Nachtzug

Titel: Nachtzug
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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Komplementbindungs-Reaktion nur aus einem Grund nicht nach Sofia gemeldet: Szukalski sollte sich in Sicherheit wiegen, damit die Gestapo Zeit hatte, ihn zu verhaften. Die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen sich. Während sie mit mechanischen Handgriffen die Kreuzproben vornahm, prüfte sie im Geist jede Möglichkeit, die sie hatte.
    Alle Wege der Nachrichtenübermittlung – Telefon, Telegramm – schieden von vornherein aus. Sie war seit zwei Monaten aus Sofia fort. Dieter Schmidt würde aufpassen und nur darauf warten, daß sie sich mit Szukalski in Verbindung setzte. Wie – wie um alles in der Welt konnte sie ihn warnen? Dann fiel es ihr ein.
    Maria Duszynska würde ihre Botschaft durch die Deutschen selbst übermitteln lassen.
    An dem Schreibtisch, wo über sämtliche Labortests Buch geführt wurde, holte sie das Register für Blutbilder hervor und trug pflichtbewußt ihre eigenen Ergebnisse ein, die sie während des Tages gewonnen hatte. Dann tastete sie langsam und vorsichtig nach dem Register, in dem die Ergebnisse aus den verschiedenen Agglutinations-Tests aufgeführt waren.
    Die letzte Eintragung, mit dem Nachnamen des Patienten an erster Stelle lautete: Czarnecka, Danuzsa. WF +
    Maria zog einen Bleistift aus ihrem weißen Kittel, beugte sich wie zufällig vor und fügte der Liste, die am Abend nach Sofia telegrafiert werden sollte, eine letzte Eintragung bei: Totenkopf, Jan. KB +
    {343} Maximilian Hartung hörte grimmig schweigend zu, als Fritz Müller ihm mit gezwungener, erstickter Stimme die haarsträubende Neuigkeit überbrachte. Die Verbindung war schlecht, aber die Entschuldigung kam außergewöhnlich deutlich durch das Telefon. Ein triumphierendes Lächeln umspielte Hartungs Mundwinkel, als sein Freund geendet hatte und er ihm nun seinerseits mitteilte, was sie jetzt unternehmen würden.
     
    Jan Szukalski betrachtete die übliche Liste mit den Testergebnissen, die gerade vom Gestapo-Hauptquartier herübergeschickt worden war. Seit nunmehr fast zweieinhalb Jahren hatte er beinahe täglich solche Listen gelesen, doch diese hier war kürzer als die anderen. Und er wußte, daß die nächste noch kürzer sein würde und so weiter, bis die Epidemie auf scheinbar natürliche Weise abgeklungen wäre. Danach hoffte er, rechtzeitig aus Sofia wegzukommen, bevor die Deutschen herausfanden, was hier geschehen war.
    Es war ein schwüler, diesiger Tag, der den bevorstehenden heißen Sommer ankündigte. Szukalski lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und überflog rasch die Liste, die wie immer nur positive Ergebnisse verzeichnete. Bald schweiften seine Gedanken ab, und die Namen auf der Liste verschwammen ihm vor den Augen, während er seinen Träumereien nachhing.
    Erst als sein Blick auf die letzte Zeile fiel, wurde er schlagartig in die Wirklichkeit zurückgeholt. Statt » WF +« hatte der Fernschreiber versehentlich » KB +« getippt.
    Nun ja, dachte Jan achselzuckend, vielleicht war dem Mann ja einfach ein Tippfehler unterlaufen.
    Doch dann sah er den Namen, der dem Befund voranging. Jan Totenkopf.
    Er kratzte sich am Kopf. Der Name war ihm gänzlich unbekannt. Szukalski hatte mehrere Patienten mit deutschen Familiennamen, doch ein Totenkopf war nicht darunter, und gewiß hätte er sich an jemanden erinnert, der den gleichen Vornamen hatte wie er. Er stand von seinem Schreibtisch auf und begann mit seiner Morgenvisite im Krankenhaus. Die Krankenschwestern begleiteten ihn, als er von Bett zu Bett ging, die Patienten untersuchte und Anweisungen für die Behandlung gab.
    {344} Die letzte Eintragung ließ ihm keine Ruhe.
    Nach Beendigung der Visite kehrte er in sein Büro zurück und nahm sich noch einmal den letzten Namen auf der Liste vor. Dann sprach er den Namen laut aus und versuchte sich zu erinnern, wann er je eine Person dieses Namens behandelt hatte. Und als er ihn laut las, »Totenkopf, Jan. KB +«, da fiel es ihm plötzlich auf, daß es sich womöglich gar nicht um einen Namen, sondern um eine Mitteilung handelte. Und was er jetzt las, lautete: »Totenkopf, Jan. KomplementbindungsReaktion positiv.«
    Dies konnte nur eines bedeuten: Daß die SS den Komplementbindungs-Reaktionstest hatte. Jemand in Warschau warnte ihn, und Jan Szukalski wußte, daß dieser Jemand nur Maria sein konnte.
    Zum erstenmal, seitdem vor einem Jahr die Delegation zur Untersuchung der Epidemie nach Sofia gekommen war, spürte er wieder, wie ihm der Schrecken in die Glieder fuhr.
    Er mußte schnell handeln.
    Piotr nickte
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