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Nachtzug

Titel: Nachtzug
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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ernst, als er die Liste las, die Jan ihm zeigte, und meinte mit düsterer Stimme: »Ich fürchte, Sie haben recht. Es kann nichts anderes bedeuten. Maria hat sich irgendwie ins Laboratorium eingeschleust und warnt Sie, Jan. Wie es aussieht, werden Sie keine Zeit mehr haben, die Epidemie ausklingen zu lassen, wie Sie es ursprünglich vorhatten. Sie müssen so schnell wie möglich fort.«
    »Piotr«, erwiderte Szukalski mit erstickter Stimme, während er im Halbdunkel der Krypta auf und ab ging, »ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, meine Haut zu retten, und der Verantwortung, die ich den Patienten gegenüber habe. Ich sorge mich nur um Alex und Katarina. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, sie herauszubringen …«
    »Nicht ohne Sie, Jan, und das wissen Sie auch. Es wäre ihr sicherer Tod, wenn sie versuchten, alleine zu entkommen. Und wen kennen Sie schon, der sie aus Sofia herausschmuggeln würde? Nein, Jan, wenn nicht für Sie selbst, dann wenigstens für diese beiden. Fliehen Sie!«
    Szukalski rang verzweifelt die Hände. »Piotr …« Die Stimme versagte ihm.
    »Hören Sie mir zu!« Der Priester stand auf und legte seinem Freund beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Sie haben nicht mehr viel {345} Zeit. Sie wissen, daß Maria Ihnen diese Nachricht geschickt hat, um Sie vor drohender Gefahr zu warnen, und nicht nur, um Ihre Neugierde zu befriedigen. Und wenn Müller jetzt den Komplementbindungs-Reaktionstest hat, dann haben Sie keine Zeit mehr zu verlieren. Nehmen Sie Ihre Familie und gehen Sie, Jan. Wenn Sie bleiben, sind Sie ein toter Mann. Und Ihrer Frau und Ihrem Kind wird dasselbe geschehen. Wie schonungsvoll, denken Sie wohl, wird Schmidt mit Katarina verfahren, wenn …?«
    »Aber einfach fliehen!« rief Jan und fuhr herum. »Meine Patienten im Stich lassen!«
    »Für sie ist gesorgt. Die Krankenschwestern sind ja noch hier, und die Russen sind auch nicht mehr weit.«
    »Und was ist mit Ihnen, Piotr? Was wäre, wenn die Deutschen herausbekämen, welche Rolle Sie bei dem Ganzen gespielt haben?«
    Wajda lächelte matt. »Und wer sollte es ihnen sagen? Es ist niemand mehr übrig, der mich denunzieren könnte, Jan. Ich bin sicher. Sie sehen, alter Freund, Sie müssen fort, und sei es nur, um meinen Hals zu retten. Sie stellen eine große Gefahr für mich dar. Sie werden Sie foltern, um herauszufinden, wer noch …«
    »Also gut«, murmelte Szukalski.
    »Gehen Sie sofort nach Hause, halten Sie sich nicht mehr im Krankenhaus auf, und machen Sie sich fertig zum Aufbruch. Sagen Sie Katarina nichts. Sagen Sie ihr nur …«
    »Katarina wird keine Fragen stellen, Piotr. Wenn ich ihr sage, wir müssen gehen, wird sie mir vertrauen.«
    »Ich hole Ihr Auto vom Krankenhaus und komme gleich bei euch vorbei.«
     
    Dieter Schmidt, der gerade sein Abendessen beendet hatte, trat hinaus auf die Stufen des Rathauses und schaute über den Platz. Wie ruhig, dachte er bei sich, wie ruhig und öde! Der Frühlingsabend war warm und angefüllt vom Duft Tausender Blüten. Er hatte das dringende Bedürfnis, seinen Kragen zu lockern. Die Uniform wurde ihm allmählich zu eng, und als er auf seinen vorstehenden Bauch hinabsah, dachte er mit Abscheu: Nichts kann man tun, nur herumsitzen und essen. Drei Jahre in derselben beschissenen kleinen Stadt, und die Russen schon fast vor der Tür.
    {346} Der SS -Kommandant erging sich in Selbstmitleid, als plötzlich der Fernmeldeoffizier mit einer telegrafierten Nachricht auf ihn zurannte.
    AN KOMMANDANT , SOFIA . SS - HAUPTSTURMFÜHRER DIETER SCHMIDT
    NEHMEN SIE FEST UND INHAFTIEREN SIE ZWECKS VERHÖR : DR . JAN SZUKALSKI UND DR . MARIA DUSYNSKA . WERDE MORGEN FRÜH EINTREFFEN .
    SS - STURMBANNFÜHRER M. HARTUNG

27
    Solch ein Gefühl der Befriedigung und Freude hatte Dieter Schmidt das letzte Mal empfunden, als er damals im Gestapo-Hauptquartier in Berlin eine Beförderung und ein Lob seiner Vorgesetzten für ausgezeichnete Arbeit erhalten hatte. Doch selbst das war schwach, verglichen mit dem Hochgefühl, das ihn überkam, als er die Nachricht von Hartung gelesen hatte. Es war der genußvollste Augenblick in Dieter Schmidts Leben. Er jubelte fast vor Freude, als er die Treppe seines Hauptquartiers hinaufstürmte. Und während er seine Männer mit knappen Befehlen zum Appell antreten ließ, malte er sich schon aus, wie er Szukalski bestrafen wollte.
    Maximilian Hartung ließ sich von seinem Dienst in Majdanek für ein paar Tage freistellen,
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