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Nachtzug ins Glueck

Nachtzug ins Glueck

Titel: Nachtzug ins Glueck
Autoren: Samantha Hunter
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einfach so weitermachst, ist alles gut.« Sie kicherte und seufzte dann, als sie ihre Fußknöchel um seine Oberschenkel schlang.
    »Deine Lust ist mein Ziel«, sagte er fröhlich.
    »Dann ziele ein bisschen mehr nach links, wenn’s geht«, sagte sie und brachte ihn damit so zum Lachen, dass sich sein Körper anspannte und in ihr aufbäumte. Sie vergaßen beide ihre Worte, die Unterhaltung brach ab, und Reid machte die Lust zum Ziel der ganzen Nacht.

6
    Reid wachte allein auf, quer auf dem Schlachtfeld des Bettes. Zufrieden und gesättigt blieb er liegen und lauschte auf Geräusche von Brenna, die sich durch den Raum bewegte, aber alles war still.
    Vielleicht war sie Frühstück holen gegangen? Als er herumrollte und auf die Uhr sah, stöhnte er auf. Es war fast Mittag. Auch der Zug stand still – sie hatten bereits ihr nächstes Ziel erreicht, Skaneateles, New York.
    Er hievte sich aus dem Bett und streckte die müden Muskeln. Brenna inspirierte ihn zu der Ausdauer seines zwanzigjährigen Selbst, aber sein sechsunddreißigjähriges Selbst meldete den einen oder anderen Protest an, als er sich auf die Dusche zubewegte und zusammenzuckte. Seine schmerzende Seite erinnerte ihn daran, dass er sich überanstrengt hatte.
    Das war es absolut wert gewesen.
    Brenna hatte ihn wahrscheinlich nicht wecken wollen. Er hatte geschlafen wie ein Toter.
    Ein paar Minuten später war er angezogen und mit knurrendem Magen auf der Suche nach ihr. Der Zug stand in einem Bahnhof an einem Hügel, von wo aus man auf einen glitzernden See blicken konnte, und von der anderen Seite des Waggons war der kleine Ort oben auf dem Hügel zu sehen.
    Sehr hübsch, dachte Reid beim Suchen gedankenverloren.
    Schließlich entdeckte er sie. Sie saß allein auf einer Holzbank auf dem Bahnsteig vor dem Ausgang und schaute auf den See hinunter. Reid ging zu ihr, legte ihr die Hand auf die Schulter und setzte sich neben sie.
    »Hallo, guten Morgen, schöne Frau.«
    Er neigte sich zu ihr, um sie auf die Wange zu küssen. Sie wandte sich ihm nicht zu, um seinen Lippen entgegenzukommen. Brenna sah elend aus und sagte kein Wort, was nichts Gutes verhieß. »Ich dachte schon, du hast beschlossen, ohne mich loszugehen, weil ich Gefahr lief, den ganzen Tag zu verschlafen. Du hast mich ganz schön ausgelaugt«, witzelte er und rieb eine seidige Haarsträhne zwischen seinen Fingerspitzen.
    »Ich war spazieren.« Ihre Stimme klang schwach.
    Er stutzte und wich ein wenig zurück. »Ganz allein?«
    Sie zuckte mit einer Schulter. »Es schien mir eine gute Idee zu sein. Ich habe mich gestern toll gefühlt, so … richtig. Als wäre ich … über alles hinweg. Über meine Phobien. Als ich also heute Morgen Kaffee holen wollte, liefen mir ein paar andere Fahrgäste über den Weg, die mich gefragt haben, ob ich vor dem Frühstück einen Morgenspaziergang unternehmen möchte. Ich dachte, das wäre lustig, und habe Ja gesagt. Du hast geschlafen, und es war nicht nötig, dich zu wecken.«
    »Hättest du ruhig machen können.«
    »Ich wollte aber nicht.«
    »Und was ist dann passiert?«
    »Ich bin mitgegangen, und es war sehr schön. Bis ich versucht habe, wieder in den Zug zu steigen.« Sie schluckte schwer. »Ich konnte es nicht. Jedes Mal, wenn ich es versucht habe, hatte ich das Gefühl, nicht mehr atmen zu können, und musste es lassen. Ein paar der Mitreisenden wollten mir helfen, haben meine Hand genommen und versucht, mich reinzuziehen – sie wussten es nicht besser –, und irgendwie bin ich ausgeflippt. Jetzt halten die mich wirklich für verrückt«, sagte sie jämmerlich. »Also bin ich die ganze Zeit hier sitzen geblieben und hab versucht, den Mut aufzubringen, es noch mal in Angriff zu nehmen, doch ich konnte nicht.«
    »Ach, Brenna. Du hättest jemanden schicken sollen, der mich holt. Ich hätte dir geholfen …«
    Sie stand auf, ging ein Stück weg und lief nervös und kopfschüttelnd auf und ab.
    »Nein. Kapierst du es nicht? Ich muss das allein schaffen. Du bist nur eine Krücke, und wenn ich abhängig von dir bin, hilft mir das nicht, dieses Problem zu überwinden. Es wirft mich zurück. Ich hätte nie zulassen sollen, dass das passiert. Ich habe diese Reise aus einem bestimmten Grund angetreten und mein Ziel aus den Augen verloren. Ich hätte das nicht tun dürfen«, wiederholte sie sichtlich aufgebracht. »Was bringt diese ganze Reise, wenn ich es nicht allein schaffe? Schon Dienstag bist du nicht mehr da, und dann? Was soll ich dann machen?
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