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Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising

Titel: Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising
Autoren: Nicole Peeler
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»Bist du wahnsinnig?«, schaltete sich wenig hilfreich mein Gehirn ein. »Sie werden glauben, du hast ihn umgebracht.«
    Es war also völlig ausgeschlossen, die Polizei zu rufen. Das würde mir bis in alle Ewigkeit anhängen. Endlich war das Leben für mich in Rockabill wieder halbwegs erträglich geworden. Vielleicht nicht wirklich angenehm, aber abgesehen von Linda und Stuart versuchte mittlerweile niemand mehr, mich aktiv zu vergraulen. Wenn ich mir jetzt irgendetwas Seltsames erlaubte - und eine Leiche zu finden, würde ich definitiv dazu zählen -, würde alles wieder von vorne anfangen.
    Auch ein anonymer Telefonanruf kam nicht infrage.

     
    In der Nebensaison lebten nur ein paar hundert Leute in Rockabill. Anonymität war da ausgeschlossen, vor allem, weil es sich bei dem Sheriff, der meinen Anruf sicher entgegennehmen würde, um George Varga handelte, und der war nicht nur der beste Freund meines Vaters, sondern auch mein Pate gewesen bei der pseudoheidnischen Taufzeremonie, die Nick und Nan kurz nach meiner Geburt abgehalten hatten.
    Aber wenn ich Peter einfach hier liegen ließ, konnte ihn jeder finden. Und ich wollte nicht, dass irgendeine glückliche Familie wie aus einem Werbespot mit ihren obligatorisch blonden Zwillingen und ihrem Golden Retriever den Strand entlangspazierte und über einen Toten stolperte, dessen Kopfhaut an eine Katzenklappe erinnerte.
    Oder schlimmer noch, er könnte auch gar nicht gefunden werden und noch Tage hier herumliegen. Nicht mal Werbespot-Musterfamilien gehen bei diesem Sturm am Strand spazieren. Peter einfach tot hier im Sand zurückzulassen, wo er von Seemöwen angepickt und von Krabben angeknabbert würde, kam also genauso wenig infrage.
    Dann kamen mir Mr. Flutie und sein arthritischer Dackel Russ in den Sinn. Mr. Flutie war pensionierter Feuerwehrmann, er konnte also vertragen, einen Toten zu sehen. Und er »führte« seinen Hund jeden Tag auf der gleichen Strecke Gassi. Na ja, eigentlich trug er Russ die meiste Zeit in einem dieser schicken Babytragetücher, die die neureichen Vollzeitmamis in den Städten so gerne verwendeten. Er setzte Russ nur ab, damit der sein kleines Geschäft erledigen konnte, und dann wurde der gebrechliche Dackel sofort wieder im Tragetuch verstaut.

    Ich mochte Mr. Flutie sehr, aber selbst ich fand, dass seine Würde unter dieser Babytragetasche litt.
    Egal, Mr. Flutie war der perfekte Leichenfinder. Egal, ob Regen oder Sonnenschein, er stand im Morgengrauen auf und ging den ansonsten selten benutzten Trampelpfad gleich hinter dem Strand entlang. Und das Auffinden von Peter würde ihn auch nicht sein ganzes Leben lang verfolgen.
    Mittlerweile war es fast ein Uhr morgens, also musste ich mich beeilen, wenn ich noch etwas Schlaf bekommen wollte, bevor ich morgen früh wieder zur Arbeit musste. Ich brauchte fast eine halbe Stunde, um den Toten den kurzen Weg zu dem Trampelpfad zu zerren, da ich ihn ungefähr alle zehn Schritte absetzen und verschnaufen musste. So ein Toter war wirklich schwer! Außerdem musste ich jedes Mal beinahe kotzen, wenn ich den losen Hautlappen an seinem Kopf flattern sah, und ich hatte genug Folgen von CSI gesehen, um zu wissen, dass man mich über meinen Mageninhalt leicht mit diesem Ort in Verbindung bringen konnte.
    Aber trotz meiner Erschöpfung und der Übelkeit, die mich immer wieder überkam, schafften wir es schließlich auf Mr. Fluties Gassiweg. Ich versuchte, Peter so zu drapieren, dass es natürlich aussah, bis mir klarwurde, wie völlig absurd das war. Dann hatte ich das Gefühl, es wäre falsch, einfach so fortzugehen. Also beugte ich den Kopf und betete so gut wie möglich, denn ich war in meinem Leben in keinem Gottesdienst gewesen. Ich sagte Peter, wie leid es mir tue, dass er gestorben sei, und dass ich hoffte, er habe seinen Frieden gefunden. Ich entschuldigte mich außerdem dafür, dass ich ihn einfach so zurückließ und bat ihn als Schriftsteller um Verständnis für mein Dilemma und meine
Gründe, nicht die Polizei zu rufen. Als ich ihm dann auch noch zu erklären anfing, wie gut Mr. Flutie geeignet war, die Behörden einzuschalten, sah ich mich plötzlich von außen, wie ich mich splitterfasernackt mit einer Leiche unterhielt. Also unterbrach ich mein Gebet und legte stattdessen eine Schweigeminute ein. Dann ging ich zurück zum Strand und achtete dabei darauf, dass ich alle Spuren verwischte, die der Sturm nicht schon beseitigt hatte. Dort angekommen rannte ich noch einmal schnurstracks ins
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