Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising

Titel: Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising
Autoren: Nicole Peeler
Vom Netzwerk:
Hölle ich mich der Old Sow weiter nähern könnte. Aber es war unmöglich, es war völlig ausgeschlossen, näher heranzukommen. Der Körper führte, gefangen im Strudel,
einen grotesken Tanz auf. Ich konnte ihn auf keinen Fall sich selbst überlassen. Schließlich war es ein Mensch und vermutlich sogar einer, den ich kannte. Erneut stieg Panik in mir auf, und ich befahl mir selbst, nicht näher heranzuschwimmen.
    Also trat ich mit kraftvollen Schwimmzügen den Rückzug an. Denk nach, Jane.
    Aber mir wollte nichts einfallen. Es gab keinen Weg, näher heranzuschwimmen, und den Körper zu sehen, wie er unter Wasser gesogen und dann wieder an die Oberfläche gedrückt wurde, schürte meine Angst und Panik nur noch weiter.
    Meine Gefühle überschlugen sich. Ich versuchte, die Erinnerung zu unterdrücken, aber der Anblick des Körpers, gefangen im Strudel, war, als schaute ich mir eine Videoaufzeichnung dieser schrecklichen Nacht an. Ich zwang mein Gehirn, nicht mehr daran zu denken. Ich durfte diese Gedanken nicht zulassen, nichts würde mich dazu bringen, das Grauen noch einmal zu durchleben. Während ich noch damit kämpfte, meine Angst unter Kontrolle zu bringen, spürte ich ein anderes Gefühl in mir aufsteigen - Wut . Ich war so unglaublich wütend. Was zur Hölle machte schon wieder ein Toter in meinem Strudel? Wie oft sollte ich denn noch eine Leiche darin finden müssen? Sollte es mit Leichen nicht eher genauso sein wie mit Blitzen, die ein und dieselbe Person nur einmal trafen?
    Ich biss die Zähne zusammen und zwang mich dazu, mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und auf die Gestalt, die der Gnade der Old Sow auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Der Körper war in dem starken Sog
im Epizentrum des wirbelnden Strudels gefangen. Aber mittlerweile schien es so, als verlöre das Wasser an Kraft, denn die Kreise, die die Gestalt zog, wurden anscheinend größer und weiter. »Natürlich wurden sie das«, redete ich mir ein, damit ich meine Angst unter Kontrolle hielt. »Ich bin Jane, die Leichenflüsterin. «
    Der Körper schien sich tatsächlich langsam aus dem Sog zu lösen. Der Strudel wurde zwar nicht erkennbar schwächer, aber seine innere Kraft ließ unmerklich nach und trieb nun das von sich weg, was er vorher unerbittlich angesogen hatte.
    »Komm schon«, dachte ich voller Ungeduld, schob meine Angst zur Seite und schürte bewusst meine Wut. Ich zog Zorn ganz klar meinen Erinnerungen vor und zwar immer. »Komm zu Jane …«
    Die auf dem Wasser wippende Gestalt kam näher und näher, aber nun hing sie in einem der Ferkel fest. Vor Frust hätte ich am liebsten geschrien. Aber jetzt konnte ich zumindest schon sehen, dass es sich bei dem Körper um einen Mann handelte, den ich nicht als einen der Einwohner von Rockabill erkannte. »Wer ist das bloß?«, dachte ich und wandte meine Aufmerksamkeit dann dem hungrigen Ferkel zu. »Lass ihn los!«, rief ich, obwohl meine Stimme im Tosen des Sturms und der Wellen unterging.
    Doch als hätte es mich gehört, spuckte das Ferkel plötzlich sein grausiges Spielzeug aus. Der Mann hatte sich endlich aus dem Strudel gelöst, und eine dankbare Strömung trieb ihn geradewegs in meine Richtung. Ich erschauderte, nicht nur wegen der immer näher kommenden Leiche, sondern auch wegen der unheimlichen Ähnlichkeit, die diese
Nacht mit der Nacht damals hatte. »Du wirst jetzt nicht daran denken!«, ermahnte ich mich und schloss diese Tür in meinem Kopf wieder, noch bevor sie sich ganz öffnen konnte.
    Außerdem war der Körper im Hier und Jetzt nur noch eine Armlänge von mir entfernt …
    Hab dich!
    Jetzt hatte ich die Leiche zu fassen bekommen und versuchte sie Richtung Ufer zu ziehen. Das Meer war noch immer rau, und es war ein weiter Weg, mit der schweren Last an Land zu schwimmen. Aber ich war bei weitem nicht so erschöpft wie in der Nacht damals, also ging es schneller als erwartet, und schon bald war ich so nah ans Ufer herangekommen, dass ich wieder Boden unter den Füßen spürte und das letzte Stück an Land gehend zurücklegen konnte. Wer auch immer er war, er war vollständig bekleidet, und die vollgesogenen Kleider machten es immer schwieriger, ihn zu bugsieren. Noch immer hatte ich sein Gesicht nicht genau sehen können. Die Wellen waren zu stark, um ihn umzudrehen. Es gelang mir, mich unter meiner Last aufzurichten und den Mann an den Strand zu ziehen. Nach Luft japsend sank ich neben ihm in den Sand. Das Schwimmen war gar nicht so schlimm gewesen, aber
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher