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Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising

Titel: Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising
Autoren: Nicole Peeler
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du Kaffee?« Diese Frage stellte er mir jeden Morgen aufs Neue, obwohl die Antwort seit meinem fünfzehnten Lebensjahr gleich war.
    »Gern, danke schön. Hast du gut geschlafen?«
    »Oh, ja. Und du? Wie war dein Morgen?« Mein Vater erkundigte sich nie direkt nach meiner Schwimmerei. Diese Frage fiel eindeutig unter das Schweigeabkommen, das in unserem Haus herrschte. Er fragte mich nicht nach meinem Frühsport, und ich fragte ihn nicht nach meiner Mutter. Er fragte mich nicht nach Jason, und ich fragte ihn nicht nach meiner Mutter. Er fragte mich nicht, ob ich in Rockabill glücklich war, und ich fragte ihn nicht nach meiner Mutter …
    »Ach, ich habe ausgezeichnet geschlafen, Dad. Danke.« Das stimmte zwar nicht ganz, weil ich immer nur vier Stunden pro Nacht schlief. Aber das war eine weitere Sache, über die wir nie sprachen.
    Er wollte meine Pläne für heute wissen, während ich uns Rührei auf Vollkorntoast machte. Ich sagte ihm, dass ich bis sechs Uhr arbeiten müsse und auf dem Nachhauseweg noch beim Supermarkt vorbeifahren würde. Also würde ich wie immer am Montag das Auto nehmen, um zur Arbeit zu fahren. Unsere Woche lief im Grunde immer gleich ab, aber es war nett von ihm, so zu tun, als könnte ich theoretisch etwas spannendes Neues vorhaben. Montags musste ich mir keine Sorgen machen, dass er nichts zu Mittag aß, denn da holte ihn Trevor McKinley immer zu einer Pokerrunde mit George Varga, Louis Finch und Joe Covelli ab. Sie alle stammten aus Rockabill und waren bereits seit ihrer
Kindheit befreundet, außer Joe, der erst vor zwanzig Jahren nach Maine gezogen war und hier die örtliche Tankstelle übernommen hatte. So war das in Rockabill. Im Winter, wenn es kaum Touristen gab, war die Kleinstadt voll mit Einheimischen, die ihre Nase lieber in die Angelegenheiten ihrer Nachbarn steckten, als vor ihrer eigenen Tür zu kehren. Manche mochten die Familiarität, die zwischen den Einwohnern hier herrschte. Aber wenn man wie ich für gewöhnlich Mittelpunkt des Dorfklatsches war, fühlte sich diese Vertrautheit eher wie ein Kesseltreiben an.
    Während wir aßen, teilten wir uns die Lokalzeitung The Light House News . Aber da es sich eher um ein Anzeigenblättchen für Touristen handelte und die Besucher um diese Jahreszeit ausblieben, war sie eher dünn. Trotzdem befolgten wir die Routine und taten so, als ob wir lasen. Bei all unseren offensichtlichen Schwächen konnte niemand behaupten, dass wir nicht gut darin waren, den Schein zu wahren. Nach dem Frühstück suchte ich die zahlreichen Pillen für meinen Vater heraus und legte sie ihm neben sein Glas Orangensaft, wofür er sich mit seinem charmanten Lächeln bedankte. Das war das Einzige, das unverändert an ihm war, nach all den verheerenden Angriffen auf seine Gesundheit und sein Herz.
    »Danke, Jane«, sagte er. Und ich wusste, dass er es ehrlich meinte, obwohl ich ihm seine Medikamente schon seit zwölf Jahren jeden Morgen neben den Orangensaft legte.
    Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und küsste ihn auf die Wange. Mir war bewusst, dass ich nicht selten der Grund für seine Sorgen und seinen Kummer war. Dann räumte ich noch geschäftig den Frühstückstisch ab
und machte mich rasch auf den Weg zur Arbeit. Meiner Erfahrung nach ist geschäftiges Tun ein gutes Mittel dagegen, in Tränen auszubrechen.
     
    Tracy Gregory, die Besitzerin des Buchladens Read it and weep , in dem ich arbeitete, war bei meiner Ankunft bereits fleißig. Die Gregorys waren eigentlich eine traditionsreiche Fischerfamilie aus Rockabill, und Tracy war so etwas wie das schwarze Schaf. Sie war zum Arbeiten nach Los Angeles gegangen und hatte es dort anscheinend bis zu einer erfolgreichen Maskenbildnerin beim Film gebracht. Ich sage anscheinend, weil sie mit uns nie über die Filme sprach, für die sie gearbeitet hatte. Sie war erst vor fünf Jahren wieder nach Rockabill zurückgekehrt und hatte das Read it and weep eröffnet, das Buchladen, Café und Touristenfalle in einem war. Da der Tourismus längst die Fischerei als Haupteinnahmequelle abgelöst hatte, konnte Rockabill sich ein ganzjährig geöffnetes Geschäft wie das Read it and weep gerade so leisten, aber andere Läden - wie das eigentlich hübschere Restaurant mit dem zugegebenermaßen etwas unglücklich gewählten Namen Mästerei - schlossen im Winter.
    »Hallo«, sagte sie etwas schroff, als ich die Ladentür wieder hinter mir zusperrte. Wir öffneten erst in einer halben Stunde.
    »Hi, Tracy. Grizelda
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