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Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind
Autoren: Jeffery Deaver
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über die
sieben Zentimeter langen Nadeln. Sie gaben nach, ohne zu stechen.
    Brynn blieb stehen und musterte sie.
    Und dachte natürlich an den April zurück. Sie hatte sehr viel über diese zwölf Stunden im Marquette State Park nachgesonnen und konnte sich erstaunlich gut daran erinnern, wie die Bäume und Pflanzen ausgesehen, gerochen und sich angefühlt hatten, denen sie ihr Leben verdankte. Und die sie beinahe umgebracht hätten.
    Wieso, grübelte sie beim Anblick der Kiefern, hatten sie sich in diese Richtung entwickelt, zu diesen Formen und Schattierungen, manche mit der Farbe von grünem Wackelpudding, andere getönt wie Latexlack von Home Depot? Weshalb waren diese Nadeln lang und weich, und warum hatten die Berberitzen, zwischen denen Amys Stofftier Chester begraben lag, so furchtbare Dornen herausgebildet?
    Sie dachte an das Laubwerk, die Bäume, die Blätter. An lebendiges und an totes, vermoderndes Holz.
    Brynn ging weiter und fand sich neben mehreren riesigen Kamelien wieder; die einst fest geschlossenen Knospen waren nun weit geöffnet und umgeben von wächsernen grünen Blättern. Die Blüten waren rot wie frisches Blut; die Farbe ließ Brynns Herz ein wenig schneller schlagen. Sie ging weiter. Nun vorbei an Azaleen, Ligustergewächsen und Kreppmyrten, Farnen, Hibisken und Glyzinien.
    Dann bog sie um die Ecke. Ein kleiner dunkelhäutiger Mann, der einen Schlauch in der Hand hielt, sah sie überrascht an. »Buenos dias, Mrs. McKenzie.«
    »Guten Morgen, Juan. Wo ist er? Ich habe seinen Wagen gesehen.«
    »Im Schuppen.«
    Sie kam an einigen fast fünf Meter hohen Mulchhaufen vorbei. Ein Arbeiter in einem Bobcat schichtete den Mulch um. Sollte man diese Vorsichtsmaßnahme vernachlässigen, konnte
durch Selbstentzündung ein Schwelbrand mit unglaublich starker Rauchentwicklung entstehen. Der schwere Geruch stieg ihr in die Nase. Sie ging zum Schuppen weiter, der eigentlich eine kleine Scheune war, und trat durch die offene Tür.
    »Komme gleich«, sagte Graham Boyd und blickte von einer Werkbank auf. Er trug eine dunkle Schutzbrille, und Brynn begriff, dass er nur ihre Silhouette sah und sie für eine Kundin hielt. Graham widmete sich wieder seiner Zimmerarbeit. Er schien eigenhändig einen Anbau errichten zu wollen. Typisch Graham. Sogar nachdem er seine sämtlichen Habseligkeiten aus ihrem Haus abgeholt hatte, war er zurückgekehrt, um die Küche fertig zu fliesen. Und er hatte verdammt gute Arbeit geleistet.
    Dann blickte er abermals auf. Erkannte, wer da vor ihm stand. Er legte das Brett hin und nahm die Brille ab. »Hallo.«
    Sie nickte.
    Er runzelte die Stirn. »Ist mit Joey alles okay?«
    »Oh, sicher, dem geht’s gut.«
    Er kam zu ihr. Sie umarmten sich nicht. Er kniff die Augen zusammen und musterte ihre Wange.
    »Hast du den Eingriff vornehmen lassen?«
    »Aus lauter Eitelkeit.«
    »Man sieht nicht das Geringste. Wie fühlt es sich an?«
    »Innen ist es noch empfindlich. Ich muss aufpassen, was ich esse.« Sie sah sich um. »Du baust an.«
    »Das war längst überfällig. Anna sagt, es geht ihr besser. Ich hab mit ihr telefoniert.«
    »Das hat sie erzählt. Sie verbringt mehr Zeit im Haus als eigentlich nötig. Die Ärzte wollen, dass sie häufiger Spaziergänge unternimmt. Und ich hätte auch nichts dagegen, sie ab und zu loszuwerden.« Sie lachte.
    »Joey darf nur noch unter polizeilicher Überwachung aufs Skateboard? Seine Oma hat mir Bericht erstattet.«
    »Ja, es gelten diesbezüglich inzwischen strikte Regeln. Und
meine Spione versichern mir, dass er sich tatsächlich daran hält. Sein neues Hobby heißt Lacrosse.«
    »Ich habe diese Sondersendung gesehen. Über Michelle Kepler und die Morde.«
    »Auf WKSP, genau.«
    »Da waren ein paar Cops aus Milwaukee, die haben behauptet, sie hätten die Frau verhaftet. Du wurdest nicht mal erwähnt, jedenfalls nicht namentlich.«
    »Ich war bei der Festnahme nicht dabei. Ich hatte an dem Abend was anderes vor.«
    »Du?«
    Sie nickte.
    »Haben die Reporter dich denn wenigstens dazu befragt?«
    »Ich brauche keine Publicity.« Brynn war plötzlich verlegen; ihr Gesicht war heiß wie das eines halbwüchsigen Mädchens, das von niemandem zum Tanzen aufgefordert wurde. Sie dachte an ihre allererste Verkehrskontrolle zurück. Brynn war dermaßen nervös gewesen, dass sie zu ihrem Streifenwagen zurückgegangen war, ohne dem Fahrer seine Ausfertigung des Strafzettels zu geben. Er hatte sie höflich zu sich gerufen und darum gebeten.
    Auch jetzt war sie
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