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Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind
Autoren: Jeffery Deaver
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anderen Gäste nachzufüllen.
    Wenn jemand mitten am Tag Hochprozentiges trinkt, dann meistens Wodka, dachte Hart. Und mit irgendwas anderem gemischt. Süß oder sauer. Niemand bestellt sich nachmittags einen Martini. Warum eigentlich?
    Ob Brynn McKenzie wohl gerade zu Mittag aß? Gehörte das überhaupt zu ihren Gewohnheiten? Oder hielt sie sich tagsüber zurück und speiste abends ausgiebig mit ihrer Familie?
    Was ihn an ihren Mann denken ließ, Graham Boyd.
    Hart fragte sich, ob die beiden erwogen, wieder zusammenzuziehen. Er bezweifelte es. Grahams hübsches Stadthaus, das sechs oder sieben Kilometer von Brynn entfernt lag, sah nicht wie ein Übergangsquartier aus. Im Gegensatz zu Harts Wohnung nach der Trennung von seiner Frau. Er war einfach zusammengebrochen und hatte es monatelang nicht geschafft, die Bude aufzuräumen. Er dachte an Brynn in dem Transporter zurück, neben dem Wohnmobil der Meth-Kocher. Hart hatte die unausgesprochene Frage nie beantwortet, die mit dem Blick auf seine Hand verbunden gewesen war: Sind Sie verheiratet?
Er hatte sich nicht direkt dazu geäußert. Nun hatte er deswegen beinahe ein schlechtes Gewissen.
    Wir wollen uns nicht anlügen …
    Der Barmann hatte etwas gesagt.
    »Was?«
    »Ist der Burger okay, Terry? So wie du wolltest?«
    »Ja, danke.«
    »Kein Problem.«
    Im Fernsehen lief eine Sportsendung. Hart aß auf.
    Der Barmann räumte den Teller ab. »Und, hast du’ne Freundin, Terry?«, fragte er beiläufig.
    »Ja, hab ich«, sagte Hart, ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden. Er war selbst überrascht.
    »Ach, echt? Wer ist sie?«
    »Eine Frau, die ich im April kennengelernt habe.« Er wusste nicht, weshalb er das sagte. Wahrscheinlich, weil er sich dabei gut fühlte.
    »Bring sie doch mal mit.«
    »Oh, ich glaube, wir werden uns trennen.«
    »Wie kommt’s?«
    »Sie wohnt nicht hier in der Gegend.«
    Der Barmann verzog das Gesicht. »Ja, ich weiß, was du meinst. Fernbeziehungen. Ich wurde mal als Reservist einberufen, und Ellie und ich waren sechs Monate getrennt. Das war schwierig. Wir kannten uns noch nicht lange, als plötzlich der Bescheid im Briefkasten lag. Wenn man verheiratet ist, ist das was anderes. Aber wenn man bloß miteinander ausgeht … Pendeln ist beschissen.«
    »Allerdings.«
    »Wo wohnt sie?«
    »In Wisconsin.«
    Der Barmann hielt inne. Er glaubte an einen Scherz. »Ernsthaft?«
    Ein Nicken.

    »Tja, solche Entfernungen sind wirklich ein Problem. Wir reden hier schließlich nicht von Los Angeles oder Samoa, Terry.«
    »Es gibt noch andere Probleme.«
    »Bei Männern und Frauen gibt es immer andere Probleme.«
    Warum reden viele Barkeeper so, als hätten sie die Weisheit mit Löffeln gefressen?, grübelte Hart.
    »Wir sind wie Romeo und Julia.«
    Der Barmann senkte die Stimme. Er verstand. »Sie ist Jüdin, oder?«
    Hart lachte. »Nein, es hat nichts mit Religion zu tun. Eher mit ihrem Job.«
    »Sie ist zu beschäftigt, richtig? Kommt erst spät nach Hause. Wenn du mich fragst, ist das alles Blödsinn. Frauen sollten sich um den Haushalt kümmern. Ich sage ja nicht, dass sie sich keine Teilzeitstelle suchen können, wenn die Kinder groß sind. Aber Gott hat das nun mal so vorgesehen.«
    »Genau«, sagte Hart und stellte sich vor, wie Brynn McKenzie wohl auf diese Äußerung reagieren würde.
    »Die Sache zwischen euch ist also vorbei?«
    Sein Herz klopfte laut. »Ja, es sieht so aus.«
    Der Barmann wandte den Blick ab, als habe er in Harts Augen etwas Beunruhigendes gesehen - etwas Beängstigendes oder Trauriges. Hart fragte sich, was es wohl sein mochte.
    »Ach, du wirst jemand Neues treffen, Terry.« Der Mann prostete ihm mit seiner Limonade zu, in die sich zufällig ein Schuss Rum verirrt hatte.
    »Das Leben muss ja schließlich weitergehen, nicht wahr?«, wartete Hart mit einem eigenen Gemeinplatz auf.
    »Ich …«
    »Darauf gibt es keine Antwort, Ben. Ich rede bloß so vor mich hin.« Hart grinste. »Jetzt muss ich aber los. Was bekommst du?«
    Der Barmann rechnete die Posten zusammen. Hart bezahlte. »Falls jemand nach mir fragt, lass es mich wissen.«

    Er schrieb ihm die Nummer eines Prepaid-Mobiltelefons auf, das Anrufe sofort auf die Mailbox umleitete.
    Ben steckte die zwanzig Dollar Trinkgeld ein. »Privatschnüffler, ja?«
    Hart lächelte erneut. Er sah sich ein letztes Mal um und ging hinaus.
    Die Tür hinter ihm fiel zu, und er betrat den Bürgersteig. Der Maihimmel war strahlend blau. Normalerweise wehte der Wind nicht aus Richtung des Lake
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