Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
hinteren Veranda erneuert.«
    »Das hat Joey mir erzählt.«
    »Willst du mal sehen?«
    »Gern.«
    Er führte sie um das Haus herum in den Garten.

99
    Am letzten Maiwochenende betrat Terry Hart eine Kneipe an der Wells Street in Chicagos Old Town, Nähe North Avenue. Seit er in den Siebzigerjahren zum ersten Mal hergezogen war,
hatte die Gegend sich deutlich verändert. Sie war nun sicherer, hatte aber viel an Atmosphäre eingebüßt. Die gehobene Mittelschicht hatte die alteingesessenen Anwohner verdrängt, die durchreisenden Hotelgäste, die Folksänger und Jazzmusiker, Trinker und Prostituierten. Teure Weinhandlungen, Käsegeschäfte und Bioläden waren an die Stelle der kleinen Gemüsehändler und Discounter getreten. Den Earl of Old Town, den großen Folk-Club, gab es nicht mehr, doch das Comedy-Theater Second City war noch da und würde es vermutlich auch immer sein.
    Die Bar, die Hart nun besuchte, stammte aus der Disco-Zeit nach der Folk-Ära, war somit aber auch längst überholt. Es war kurz nach halb drei am Samstagnachmittag, und es hielten sich hier fünf Gäste auf. Drei saßen am Tresen, mit jeweils einem freien Hocker zwischen ihnen, wie es bei trinkenden Fremden üblich war. Die anderen beiden saßen an einem Tisch, ein Paar Mitte sechzig. Die Frau trug einen roten Hut mit breiter Krempe. Ihr fehlte ein Vorderzahn.
    Hart war die letzten anderthalb Monate untergetaucht gewesen und hatte sich nach seiner alten Gegend und der Stadt gesehnt. Auch die Arbeit fehlte ihm. Nun jedoch, da Michelle Kepler im Gefängnis saß und sein Informant ihm mitgeteilt hatte, dass sie nicht länger versuchte, ihn töten zu lassen, wagte er sich wieder unter die Leute und nahm sein altes Leben auf. Zu seiner großen Überraschung hatte Michelle ihn während der Verhöre anscheinend nicht verraten.
    Hart ließ sich auf einen der Hocker fallen.
    »Mein Gott, Terry.« Der rundliche Barmann gab ihm die Hand. »Dein letzter Besuch ist aber schon eine ganze Weile her.«
    »Ich war beruflich unterwegs.«
    »Und wo? Was darf ich dir bringen?«
    »Einen Wodka-Grapefruit. Und einen Burger, medium. Ohne Pommes.«

    »Gern. Und - wo warst du?«
    »In Neuengland. Danach eine Zeit lang in Florida.«
    Der Barmann goss den Drink ein und brachte den schmierigen grünen Zettel, auf dem Harts Bestellung stand, zur Durchreiche der Küche, hängte das Blatt dort auf und betätigte eine Klingel. Eine dunkelbraune Hand erschien, schnappte sich das Stück Papier und verschwand wieder. Der Barmann kam zurück.
    »Florida. Als ich zuletzt mit meiner Frau da war, haben wir die ganze Zeit auf der Hotelterrasse gesessen und sind erst am letzten Tag am Strand gewesen. Die Terrasse hat mir besser gefallen. Und wir waren oft zum Essen aus. Krabben. Ich liebe diese Krabben. Wo warst du?«
    »In so einem kleinen Kaff. Du weißt schon, in der Nähe von Miami.«
    »Wir auch. Miami Beach. Aber du hast nicht viel Farbe bekommen, Terry.«
    »Ich lege mich nie in die Sonne. Das ist ungesund.« Er trank aus.
    »Da hast du auch wieder recht.«
    »Noch einen, bitte.« Er schob dem Barmann das Glas hinüber und sah sich um. Trank einen Schluck von dem neuen Drink. Es war viel Alkohol darin. Nachmittags wurde großzügiger ausgeschenkt. Einige Minuten später ertönte abermals die Klingel, und sein Burger wurde serviert. Hart aß gemächlich ein paar Bissen. »Und Ben, ist in der Stadt alles beim Alten?«
    »Ja, schätze schon.«
    »Hat hier jemand nach mir gefragt?«
    »Ha.«
    »Was, ha?«
    »Das war wie ein Zitat aus einem Film. James Garner, du weißt schon, oder irgendein anderer Privatschnüffler.«
    Hart lächelte und trank einen Schluck. Dann aß er weiter und hielt den Burger dabei in der linken Hand. Er benutzte
diesen Arm, den mit der Schussverletzung, so oft wie möglich. Der Muskel hatte sich ein wenig zurückgebildet, gewann aber wieder an Kraft. Erst an jenem Tag hatte Hart - fast ausschließlich mit der linken Hand - ein letztes Mal den Kasten poliert, mit dessen Anfertigung er oben in Wisconsin begonnen hatte. Die Arbeit war ihm wirklich gelungen. Er war sehr stolz darauf.
    »Während ich hier war, hat niemand sich nach dir erkundigt«, sagte der Barmann. »Erwartest du jemanden?«
    »Man kann nie wissen.« Ein Grinsen. »Na, klang das nicht auch wie ein Filmzitat?«
    »Du hast dir die Haare schneiden lassen.«
    Sie waren nun sehr viel kürzer, wie bei einem Geschäftsmann.
    »Sieht gut aus.«
    Hart ächzte.
    Der Mann ging weg, um das Glas eines der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher