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Nachts

Nachts

Titel: Nachts
Autoren: Stephen King
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Ich sorge dafür, daß du singst!«
    BLITZ!
    Das dritte Bild stieß das zweite aus dem Schlitz. Es fiel zu schnell herunter, mehr wie ein Stück Stein als ein Quadrat aus Pappe, und auf dem Schreibtisch schlug es durch die alte, ausgefranste Schreibtischunterlage, so daß erstaunte Splitter vom Holz darunter emporflogen.
    Auf diesem Bild war der Kopf des Hundes noch verzerrter; er war zu einer langgezogenen Säule aus Fleisch geworden, was ihm einen seltsamen, fast dreidimensionalen Aspekt verlieh.
    Auf dem dritten, das noch aus dem Schlitz unten an der Kamera ragte, schien die Schnauze des Hundes, was eigentlich unmöglich war, perspektivisch wieder normal zu sein. Das war unmöglich, weil sie so nahe wie möglich an der Linse war; so nahe, daß sie wie die Schnauze eines Seeungeheuers dicht unter der dünnen Haut, die wir Oberfläche nennen, zu sein schien.
    »Das verdammte Ding ist immer noch nicht richtig«, sagte Pop.
    Sein Finger drückte erneut auf den Auslöser der Polaroid.
    Kapitel Einundzwanzig
    Kevin rannte die Stufen des Emporium Galorium hinauf. Sein Vater streckte die Hände nach ihm aus, bekam nur die Luft einen Zentimeter von Kevins flatterndem Hemdenzipfel entfernt zu fassen, stolperte und landete auf den Handballen. Sie rutschten über die zweite Stufe von oben und trieben ihm einen Schauer winziger Splitter in die Haut.
    »Kevin!«
    Er sah nach oben, und einen Augenblick versank die Welt fast in einem weiteren dieser grellen weißen Blitze. Diesmal war das Brüllen viel lauter. Es war das Brüllen eines wahnsinnigen Tiers, das im Begriff ist, seinen Käfig zu sprengen. Er sah Kevin mit gesenktem Kopf und einer Hand schützend vor den Augen vor diesem Stroboskoplicht erstarrt, als wäre der Junge selbst zu einem Foto geworden. Er sah Risse wie Quecksilber, die zickzackförmig am Schaufenster herunterverliefen.
    »Kevin, paß au «
    Die Scheibe barst als Scherbenregen nach außen, und Mr. Delevan mußte den eigenen Kopf ducken. Glas flog wie ein Regenschauer um ihn hernieder. Er spürte es in seinem Haar und wie es beide Wangen zerkratzte, aber kein Splitter drang tief in den Mann oder den Jungen ein; die Scheibe war größtenteils pulverisiert worden.
    Ein splitterndes Krachen ertönte. Er sah wieder auf und stellte fest, daß Kevin sich Zutritt verschaffte, wie Mr. Delevan es zuvor geplant hatte: Indem er sich mit der Schulter gegen die jetzt glaslose Tür warf und das neue Vorhängeschloß einfach aus dem alten morschen Holz herausriß.
    »KEVIN, VERDAMMT!« bellte er. Er stand auf, stürzte beinahe wieder auf ein Knie, als er über die eigenen Füße stolperte, dann schnellte er hoch und lief seinem Sohn hinterher.
    Etwas war mit der verdammten Kuckucksuhr passiert. Etwas Schlimmes.
    Sie schlug immer wieder schlimm genug, aber das war nicht alles. Sie war auch in Pops Hand schwerer geworden und schien außerdem ungemütlich heiß zu werden.
    Pop sah nach unten und wollte plötzlich mit Kiefern, die wie zugeschweißt schienen, vor Entsetzen schreien.

    Er merkte, daß er mit Blindheit geschlagen gewesen war, und er merkte auch, daß er keine Kuckucksuhr in Händen hielt.
    Er wollte den Klammergriff seiner Hände um die Kamera lösen und stellte zu seinem Entsetzen fest, daß er die Finger nicht biegen konnte. Das Gravitationsfeld um die Kamera herum schien dichter geworden zu sein.
    Und das gräßliche Ding wurde immer heißer. Das graue Plastik der Kamera zwischen Pops verkrampften Fingern, deren Nägel weiß hervortraten, hatte angefangen zu rauchen.
    Sein rechter Zeigefinger kroch wie eine verletzte Fliege auf den roten Auslöserpunkt zu.
    »Nein«, murmelte er, und dann, flehend: »Bitte «
    Sein Finger schenkte ihm keine Aufmerksamkeit. Er kam zu dem roten Knopf und ließ sich darauf nieder, als Kevin gerade mit der Schulter gegen die Tür rammte und eindrang. Glas von den Scheiben der Tür flog umher und knirschte.
    Pop drückte nicht auf den Knopf. Obwohl er blind war und spürte, wie die Haut seiner Finger zu schwelen und zu versengen anfing, wußte er, daß er nicht auf den Knopf drückte. Aber als sich sein Finger darauf gesenkt hatte, schien das Gravitationsfeld sich erst zu verdoppeln und dann zu verdreifachen.
    Er versuchte, den Finger über dem Knopf zu halten. Es war, als wollte man versuchen, auf dem Planeten Jupiter einen Liegestütz zu machen.
    »Fallenlassen!« kreischte der Junge von irgendwo vom Rand von Pops Dunkelheit. »Fallenlassen, fallenlassend
    »NEIN!« schrie Pop
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