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Nachts

Nachts

Titel: Nachts
Autoren: Stephen King
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wir müssen sie haben, und die Zeit ist fast abgelaufen, Dad!«
    »Geben Sie mir eine von diesen Kameras«, sagte Mr. Delevan und holte mit zitternden Fingern die Brieftasche heraus, ohne mitzubekommen, daß Kevin bereits zu dem Display gelaufen war.
    »Nehmen Sie einfach eine«, hörte s ie sich mit einer zitternden Stimme sagen, die gar nicht zu ihr paßte. »Nehmen Sie einfach eine und gehen Sie.«
    Kapitel Neunzehn
    Auf der anderen Seite des Platzes war Pop Merrill, der glaubte, er würde friedlich eine Kuckucksuhr reparieren und sich so unschuldig wie ein neugeborenes Baby fühlte, gerade damit fertig, einen Film in Kevins Kamera zu laden. Er klappte sie zu. Sie gab ihr quietschiges kleines Surren von sich.
    Der Scheißkuckuck hört sich an, als hätte er eine schlimme Kehlkopfentzündung. Wahrscheinlich ein Zahnrad abgeschliffen. Nun, dagegen habe ich ein Heilmittel.
    »Ich bring dich wieder hin«, sagte Pop und hob die Kamera. Er brachte ein leeres Auge an den Bildsucher mit seinem haarfeinen Riß, den man nicht einmal sah, wenn man mit dem Auge ganz dicht davor war. Die Kamera war auf den vorderen Teil des Ladens gerichtet, aber das spielte keine Rolle; wohin man sie auch immer hielt, sie war stets auf einen gewissen schwarzen Hund gerichtet
    kein Hund, den Gott je geschaffen hatte , welcher sich in einer kleinen Stadt befand, die mangels eines besseren Wortes Polaroidsville hieß, die Er auch nicht geschaffen hatte.
    BLITZ!
    Das quietschige kleine Surren, als Kevins Kamera ein neues Bild ausspie.
    »Da«, sagte Pop tief befriedigt. »Vielleicht kann ich mehr als dich wieder zum Sprechen bringen, Vögelchen. Ich will damit sagen, vielleicht bringe ich dich zum Singen. Ich kann es nicht versprechen, aber ich will es versuchen.«
    Pop grinste ein trockenes, ledriges Grinsen und drückte wieder auf den Auslöser.
    BLITZ!
    Sie hatten den Platz halb überquert, als John Delevan ein stummes weißes Licht sah, das hinter den Fenstern des Emporium Galorium aufleuchtete. Das Licht war stumm, aber ihm folgte wie eine Druckwelle ein tiefes, dunkles Brummen, das aus dem Trödelladen des alten Mannes zu ihm zu dringen schien aber nur, weil der Trödelladen des alten Mannes der einzige Platz war, wo es herauskommen konnte. Seinen Ursprung schien es unter der Erde zu haben oder schien es nur so, als wäre die Erde selbst als einziger Ort groß genug, den aufzunehmen, dem diese Stimme gehörte?
    »Lauf, Dad!« schrie Kevin. »Er hat damit angefangen!«

    Der Blitz leuchtete wieder auf und erhellte die Fenster wie ein kalter Stromschlag. Wieder folgte dieses unterirdische Grollen, das Geräusch eines sonischen Dröhnens im Windkanal, das Knurren eines über alle Vorstellungen hinaus gräßlichen Tiers, das aus dem Schlaf getreten wurde.
    Mr. Delevan, der sich nicht zusammenreißen konnte und fast nicht mitbekam, was er tat, machte den Mund auf, um seinem Sohn zu sagen, daß so ein starkes Licht unmöglich vom eingebauten Blitzlicht einer Polaroidkamera stammen konnte, aber Kevin war schon losgerannt.
    Mr. Delevan fing ebenfalls an zu laufen und wußte ganz genau, was er vorhatte: Er wollte seinen Sohn erwischen und ihn packen und wegschaffen, bevor etwas so Gräßliches passierte, daß er es sich nicht einmal vorstellen konnte.
    Kapitel Zwanzig
    Das zweite Polaroidbild, das Pop aufnahm, drängte das erste aus dem Schlitz. Es flatterte auf den Schreibtisch, wo es mit einem kräftigeren Poltern landete, als bei einem derartigen Quadrat chemisch behandelter Pappe normal gewesen wäre. Der SunHund füllte inzwischen fast den gesamten Rahmen aus; im Vordergrund war sein unmöglicher Kopf, die schwarzen Gruben der Augen, das rauchende Maul voller Zähne. Der Kopf schien in die Länge gezogen zu sein, er hatte die Form einer Patrone oder Träne, da die Geschwindigkeit und Nähe zur Linse des HundeDings die Proportionen noch weiter verzerrten. Nur noch die Spitzen der Zaunlatten hinter ihm waren zu erkennen; die massigen gespannten Schultern des Dings beanspruchten den Rest des Fotos für sich.
    Kevins Geburtstagskrawatte nebst Nadel, die neben der Sun in seiner Schublade gelegen hatte, war am unteren Bildrand zu sehen, wo sie einen staubigen Sonnenstrahl reflektierte.
    »Ich hab dich fast, du Hurensohn«, sagte Pop mit schriller, brü
    chiger Stimme. Seine Augen waren vom Licht geblendet. Er sah weder den Hund noch die Kamera. Er sah nur einen stummen Kukkuck, der sein Lebensinhalt geworden war. »Du wirst singen, verdammt noch mal!
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